Die Regulierung des Finanzmarktes, besonders der Banken, wächst seit Jahren. Den letzten großen Schub gab es nach dem Bankrott der Bank Lehmann Brothers im Jahr 2008: Eine Flut neuer globaler Vorschriften wurde erlassen, zusammengefasst unter dem Namen „Basel III“, die verfeinert und ergänzt in von Land zu Land verschiedene nationale Regulierungen übernommen wurden. Dabei wird oft vergessen, dass etliche der spektakulären Krisen einzelner Banken auch passiert wären, wenn Basel III damals bereits bestanden hätte, denn diese Banken waren in einem Ausmaß verschuldet, dass auch schärfere Eigenmittelvorschriften bei weitem nicht ausgereicht hätten. Außerdem hatten die Banken letztlich die Zentralbank als Darlehensgeber für den schlimmsten Fall („lender of last resort“) im Rücken.
Ursprung und Rolle der Zentralbanken
Am Anfang der Regulierungskette steht aber jeweils die Zentralbank. Die Zentralbanken sind nicht das Ergebnis einer freien Evolution des Marktes, sondern wurden von den Staaten aus verschiedenen Motiven gegründet. Die ersten Zentralbanken entstanden im 17. und 18. Jahrhundert. Ihre wichtigste Aufgabe war die Finanzierung der Staatsschulden, d.h. im Klartext: Die Staaten, meist Monarchen, brauchten Geld für die Kriegsführung. Im 19. Jahrhundert nahm die Zahl der Banken kräftig zu, es kam auch zu Finanzkrisen, woraus der Wunsch entstand, allein eine Zentralbank solle Banknoten und Münzen herausgeben dürfen. Daraus entstand auch die Rolle der Zentralbanken als letzte Finanzierungshilfe für private Banken („lender of last resort“).
Auch im 20. Jahrhundert wurden die Zentralbanken für die Finanzierung der beiden Weltkriege benutzt. Mit der galoppierenden Inflation in Deutschland und der wachsenden Arbeitslosigkeit erweiterten sich die Aufgaben der Zentralbanken in Richtung einer Stabilisierung der Währung und der Kontrolle der Arbeitslosigkeit. Im 21. Jahrhundert gingen die Aufgaben der Zentralbanken in Europa an die Europäische Zentralbank (EZB) über.
Teildeckung, Kreditexpansion und die Reaktion des Staates: Zunehmende Regulierung
Die Banken gerieten in Schwierigkeiten, weil sie vor allem im Kreditgeschäft zu wenig vorsichtig waren, und die Sichteinlagen der Kunden nur teilweise mit liquiden Mitteln gedeckt sein müssen. Die Kunden können ihr Geld aber jederzeit zurückfordern. Da man in „normalen Zeiten“ davon ausgehen kann, dass immer nur ein Bruchteil der eigentlich den Kunden gehörenden Einlagen abgezogen werden, sind diese Kundeneinlagen nur zu etwa 10 – 20% mit liquiden Aktiven gedeckt. Der weitaus größere Teil steckt in von den Banken gewährten Darlehen. Heute ist diese Teildeckung rund um die Welt der Standard. Die staatliche Reaktion darauf war die Schaffung einer Zentralbank als „lender of last resort“ und, um die Zentralbank zu schonen, eine Bankenaufsicht, die eine Mindestquote von eigenen Mitteln fordert. Diese minimale Unterlegung mit Eigenmitteln beträgt heute gemäß Basel III je nach Bankentyp rund 10% der risikobehafteten Aktiven.
Daneben gibt es eine große Zahl weiterer Betriebsvorschriften, um nur die wichtigsten zu nennen:
- Gewähr für eine einwandfreie Geschäftsführung der Geschäftsleitung, des Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrates und der maßgeblichen Aktionäre
- eine Mindestliquidität
- keine Klumpenrisiken
- einen besonderen Reservefonds
- die Einlagensicherung sowie
- die Rechnungslegungsvorschriften.
Dazu kommt die Bewilligung neuer Institute, die eine ganze Reihe von Bedingungen zu erfüllen haben, wie etwa das Aktienkapital, die Definition des sachlichen und geografischen Geschäftskreises, die Mindestzahl der Mitarbeiter relativ zum Geschäftskreis etc. Diese Regulierungen dienen offiziell dem Schutz der Bankkunden und unausgesprochen dem Schutz der Zentralbank vor kostspieligen Rettungsaktionen. Banken sollen dank dieser Vorschriften möglichst gar nicht in die Lage geraten, die Hilfe der Zentralbank zu benötigen.
Zur Erarbeitung und Kontrolle der Einhaltung dieser Vorschriften erachteten die Regierungen der einzelnen Länder eine Bankenaufsichtsbehörde als notwendig. Der Personalbestand dieser Behörden ist in den letzten Jahren förmlich explodiert. In der Schweiz beispielsweise zählte die Bankenaufsicht Ende der achtziger Jahre gut 60 Mitarbeiter, heute sind es 480. In Liechtenstein waren es 1995 zwei Mitarbeiter, heute rund 80! Fairerweise muss angefügt werden, dass ein Teil dieses Wachstums der Erweiterung des Aufgabenbereichs geschuldet ist, namentlich die Aufsicht über Versicherungen und Finanzdienstleister, die keine Banken sind.
Die Keynesianische Logik: Kreditexpansion, Geldschwemme und zunehmende Regulierung
In der heute alles dominierenden keynesianischen Wirtschaftstheorie wird die reichliche Bereitstellung von Krediten zur Förderung des Wachstums und der Überwindung der Arbeitslosigkeit als notwendig erachtet. Entsprechend ist eine Ausweitung des Kreditvolumens der Banken erwünscht. Es wird behauptet, eine 100% Deckung der Sichteinlagen gefährde eine ausreichende Bereitstellung von Krediten. Aus der Sicht der Österreichischen Schule der Nationalökonomie ist das nicht zutreffend. Das Problem ist ein Zuviel an Krediten, dadurch geförderte, auf lange Sicht unprofitable Fehlinvestitionen und eine Verzerrung der Produktionsstruktur, was die typischen Konjunkturzyklen mit ihren periodischen Krisen verursacht.
Die EZB hat sich ganz der keynesianischen Logik verschrieben und ist für die riesige Geldschwemme in Europa verantwortlich, die den Keim zu einer massiven Inflation birgt bzw. diese bei Vermögenswerten bereits verursacht hat.
Nun ist es gerade diese ungesunde Kreditexpansion, die letztlich weitere Vorschriften für die Banken auslöst. Viele Banken geraten an den Rand des Bankrotts, weil sie wegen der niedrigen Zinsen allzu sorglos Kredite an Unternehmer gewährt haben, die wegen ihrer mangelnden Profitabilität bei marktgerechten Zinsen schon längst nicht mehr im Geschäft wären. Letztes spektakuläres Beispiel ist die älteste Bank Italiens, „Monte dei Paschi di Siena“, die nur noch dank Hilfe eines seinerseits fast bankrotten Staates am Leben ist. Die Krux der Vorschriften liegt darin, dass sie eben geschehene Fehlentwicklungen für die Zukunft verhindern sollen, wobei man nicht weiß, ob diese Zukunft gleich sein wird, wie die Vergangenheit.
Hohe Regulierungsdichte wird der Komplexität der Wirklichkeit nicht gerecht
Die Volkswirtschaft und ihre Banken sind ein hochkomplexes sich selbst organisierenden System, das immer wieder neue Geschäftsmodelle und Innovationen hervorbringt. Der Versuch, dieses System mit Hilfe eines zwar komplizierten, jedoch der undurchschaubaren Komplexität der Wirklichkeit in keiner Weise angemessenen Systems von Regeln zu lenken, kann unmöglich gelingen. Sicher nicht falsch ist es allerdings, den Banken eine höhere Eigenmittelquote vorzuschreiben, doch ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Historisch betrachtet hat die Ausstattung der Banken mit Eigenmitteln seit dem 19. Jahrhundert ständig abgenommen. In der Schweiz wurde mit der Verordnung zum Bankengesetz von 1936 aber eine Quote festgelegt, die von den meisten Banken weit übertroffen wurde. So nahm die Eigenmittelausstattung der Banken weiter ab, trotz der fortschreitenden Verschärfungen der Anforderungen. Die Banken näherten sich den gesetzlichen Anforderungen an! Eine Umkehr begann erst mit der Krise von 2007. Das größte Eigenmittelpolster haben die Banken, die nicht oder nicht primär im Kreditgeschäft tätig sind, sondern vorwiegend in der Vermögensverwaltung, die eigentlich vergleichsweise geringe Risiken in sich schließt. Ein Grund dafür ist zweifellos, dass diese Banken oft keine Aktiengesellschaften sind, sondern eine Rechtstruktur haben, bei der ein kleiner Kreis von Eigentümern auch mit ihrem privaten Vermögen haftet. Die tiefsten Eigenmittel haben dagegen Banken, die vorwiegend im wesentlich riskanteren Kreditgeschäft tätig sind, vor allem Banken im Eigentum des Staates und mit entsprechender Staatsgarantie; in Deutschland und Österreich die Landesbanken, in der Schweiz die Kantonalbanken. Sie wussten, dass der Staat sie notfalls retten würde.
So geschah es in Deutschland, wo die Zahl der Landesbanken von elf auf sechs geschrumpft ist, was immense Kosten für die öffentliche Hand und damit für den Steuerzahler verursachte. In Österreich hat die Abwicklung der Hypo Alpe Adria Bank das Bundesland Kärnten beinahe ruiniert, und in der Schweiz sind wegen der Immobilienblase anfangs der 1990er Jahre Dutzende kleiner Regionalbanken verschwunden. Vier der 28 Kantonalbanken wurden fusioniert oder übernommen, weitere mussten auf Staatskosten saniert werden.
Die Zeche zahlt am Ende der Steuerzahler
Es scheint also offensichtlich zu sein: Ein in Notfällen direkt oder mittels einer Zentralbank marode Banken rettender Staat ist für eine gesunde Entwicklung des Bankwesens am schädlichsten. Im 18. Jahrhundert, als die Banken ein weit größeres Eigenmittelpolster besaßen, war die Hauptaufgabe der Zentralbanken die Schaffung einer nationalen Währung und die Herausgabe von Münzen und Noten. Ihre Rolle als „lender of last resort“ stand im Hintergrund. In neuerer Zeit kam als weiteres, die Risikobereitschaft förderndes Element die Einlagensicherung dazu. Im schlimmsten Fall zahlt dann die Zeche der Steuerzahler. Damit aber haben die Anleger keine Veranlassung, sich genau zu überlegen, welcher Bank sie ihr Geld anvertrauen möchten.
Nicht vergessen darf man aber, dass ebenfalls das Teildeckungsverfahren – die Banken müssen die Sichteinlagen nur zu einem geringen Prozentsatz mit Bareinlagen gedeckt haben – eine ungesunde, Fehlinvestitionen fördernde Kreditausweitung der Banken ermöglicht. Der an der Madrider Universität Rey Juan Carlos lehrende Ökonom Jesús Huerta de Soto etwa plädiert in seinem – in der Originalfassung noch vor der Kreditschwemme der EZB erschienenen – Buch „Geld, Bankkredit und Konjunkturzyklen“ für eine Deckung der Sichteinlagen zu 100%. Die Banken müssten in diesem Fall eine Kreditexpansion über das Maß der existierenden Einlagen hinaus mit Anleihen finanzieren, womit das Risiko dem Käufer der Anleihe aufgebürdet würde. Als erster Schritt zu einer Lösung sollte gemäß Huerta de Soto die Zentralbank nicht mehr als „lender of last resort“ fungieren dürfen.
Ein unternehmerisch handelnder Bankensektor ist gefragt
Das gegenwärtige System von Regulierungen vermag jedenfalls sein angebliches Ziel – der Schutz der Bankkunden und der Zentralbank vor kostspieligen Rettungsaktionen – nicht zu erreichen. Der Bankier ist in diesem Rahmen nur begrenzt mit einem privaten Unternehmer in anderen Branchen vergleichbar. Letzterer befindet sich traditionell eher in einer Abwehrhaltung gegenüber dem Staat – man denke etwa nur an arbeitsrechtliche Vorschriften im 19. Jahrhundert und heute vor allem an die Vorschriften, die den weiten Bereich des Schutzes der Umwelt und der Raumplanung betreffen. Die Banken hingegen sind heute auf die Zentralbank angewiesen, und teilweise auch auf die Regulierung.
Der Bankier ist daher nur noch begrenzt unternehmerisch tätig, weil er einen geänderten Geschäftskreis nicht ohne eine Bewilligung der Aufsichtsbehörde ändern darf. Um dieses Prozedere zu umgehen, wird er im Rahmen seiner gewohnten Tätigkeit fatalerweise einfach höhere Risiken eingehen. Die Erfahrungen in Schottland im 18. und 19. Jahrhundert haben gezeigt, dass mit nur teilweise gedeckten Einlagen, aber ohne eine Zentralbank, bereits eine verhältnismäßig stabile Entwicklung möglich war. Außerdem waren die schottischen Banken partnerschaftlich strukturiert. Damit waren die Eigentümer nicht nur mit dem Firmenkapital, sondern auch mit ihrem Privatvermögen haftbar, was ihre Risikobereitschaft natürlich dämpfte.
Kurz: Das Bankwesen der Zukunft sollte wieder vermehrt durch einen echten Markt bestimmt sein, dabei aber auch mehr auf der Selbstverantwortung der Bankiers und ihrer Risikobereitschaft gründen. Mehr Regulierung ist deshalb ein Schritt in die falsche Richtung.