Weder die sich stetig verschärfenden Covid-19-Beschränkungen noch die in buchstäblich letzter Sekunde verkündeten Reisewarnungen konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Austrian Academy 2020 (17. bis 20. September) abschrecken. Allen widrigen Umständen zum Trotz kamen auch dieses Jahr Studierende und junge Berufstätige – insgesamt 20 – aus Deutschland, der Schweiz und Österreich zu der über knappe vier Tage sich hinziehenden Tagung des Austrian Institute. Sie fand erneut im burgenländischen Seminarhotel am Friedrichshof und diesmal unter Berücksichtigung aller notwendigen Sicherheitsvorkehrungen statt. Auch alle Referenten aus Deutschland hatten es trotz Schwierigkeiten im Flugverkehr geschafft, pünktlich bei uns zu sein. Und sie genossen die Möglichkeit, endlich wieder einmal vor realen Personen zu stehen und nicht nur über Bildschirm zu Studenten zu sprechen! Nur zwei Referenten waren angesichts der Corona-Maßnahmen gezwungen, ihren Vortrag ins Internet zu verlagern und danach die zahlreichen Fragen der Studenten online über Videozuschaltung zu beantworten.
Auch dieses Mal stand die Austrian Academy unter dem Motto „Marktwirtschaft und Unternehmertum – ihr Beitrag zu einer freien und menschlichen Gesellschaft“. Die jungen Teilnehmer nützten ausgiebig die Chance, den Vortragenden, die meisten von Ihnen prominente Universitätsprofessoren, nicht nur zuzuhören, sondern sich auch mit ihnen und den anderen Zuhörern in ungezwungener Atmosphäre auszutauschen. Klar und direkt wurden dabei gegenwärtige Bedrohungen für Freiheit, Wohlstand und Marktwirtschaft angesprochen und analysiert. Mehrfach kamen etwa die weltweite Zurückdrängung des Freihandels, das vermeintlich attraktive Gegenmodell Chinas, die nochmals beschleunigte und überbordende Staatsverschuldung im Zuge der Corona-Krise wie auch die schleichende, leider unscheinbare Aushebelung des freien Markts durch eine immer expansivere Geldpolitik zur Sprache.
Ohne freie Marktwirtschaft kein Wohlstand
Eingangs machte der Direktor des österreichischen Thinktanks Agenda Austria, Franz Schellhorn, auf den massiven Reformbedarf beim Wohlfahrtsstaat und im Bildungsbereich aufmerksam, er belegte seine Ausführungen mit teils dramatischen Zahlen. Eine Einführung in die grundlegenden Prinzipien der Volkswirtschaftslehre aus Sicht der Methode der Österreichischen Schule boten die beiden Vorträge des deutschen Ökonomieprofessors Stefan Kooths. „Der Mensch handelt“: ausgehend von dieser Prämisse leitete Kooths weitreichende Schlussfolgerungen bis hin zum internationalen Handel ab und vermochte so einsichtig zu machen, wie gerade Markt und Tausch, sowie das keineswegs nur im internationalen Handel, sondern auch auf der Ebene der einzelner Volkswirtschaften wirksame Prinzip des komparativen Kostenvorteils zum Entstehen allgemeinen Wohlstands führt. Kooths, der das Prognosezentrum im Institut für Weltwirtschaft (Universität Kiel) leitet und an der University of Applied Sciences Europe, Campus Berlin lehrt – seit vergangenem Jahr ist er auch Vorsitzender der Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft –, konnte auf diese Weise zeigen, wie die Marktwirtschaft aus ihrer inneren Logik heraus sozial ist, das heißt durch das produktive Wirtschaften einiger zur Besserstellung aller führt.
Werner Plumpe, Inhaber des Lehrstuhls für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Universität Frankfurt am Main, widmete sich aus historischer Perspektive dem Erfolg des Kapitalismus und, in einem zweiten Referat, den inneren Gründen für das notwendige Scheitern jeder Art von Sozialismus. Dass der Kapitalismus in immer neuen Schüben folgenreiche Innovationen und Transformationen von Arbeitsprozessen anstößt, stellt eine beachtliche Herausforderung an Gesellschaft und Politik dar, wie Plumpe aufzeigte, erwies sich aber gleichzeitig als bisher erfolgreichster Weg zur Überwindung von Armut und Elend. In Stagnation und Verarmung mündete hingegen langfristig immer der Sozialismus. Jeder Teilnehmer erhielt zudem ein signiertes Exemplar des Buches „Das kalte Herz: Kapitalismus: die Geschichte einer andauernden Revolution“, Plumpes im vergangenen Jahr erschienenes vielbeachtetes Opus Magnum zum Thema.
Verhängnisvolle Umverteilungen durch die Geldpolitik
Der Fortbestand der freien Marktwirtschaft und ihres wohlstandsschaffenden Potentials ist gefährdet: Das unterstrich in zwei Referaten mit Nachdruck Gunther Schnabl (Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik und Internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Universität Leipzig und Leiter des dortigen Instituts für Wirtschaftspolitik). Die Gefahr droht vor allem von einer immer expansiveren Geldpolitik, die bereits in Japan seit den 1990er Jahren sämtliche unerwünschte Nebeneffekte nach sich zieht, bis zum heutigen Tag. Dieselben Begleiterscheinungen beginnen sich spätestens seit der Finanzkrise 2007/2008 auch in Europa breit zu machen. Dazu zählt Schnabl vor allem massive Umverteilungen, etwa vom privaten zum staatlichen Sektor, von der Real- zur Finanzwirtschaft, von den Armen zu den Reichen und von den Jungen zu den Alten. Auch Monopolisierungstendenzen nehmen zu. Die Corona-Hilfspakete der EU und die damit immer abenteuerlicher werdende Geldschöpfung durch die Europäische Zentralbank verheißen nichts Gutes: Sie führt zu einer schleichenden Verstaatlichung ganzer Wirtschaftszweige und durch die zunehmende Rolle des Staates in wirtschaftlichen Entscheidungen zu vorhersehbaren und gravierenden Wohlstandsverlusten, von denen am meisten die unteren Schichten der Gesellschaft betroffen sein werden.
Im vorletzten Referat, gehalten vom Ökonomen und Sozialethiker Philipp Booth, wurde noch einmal eine Lanze für Globalisierung und Freihandel gebrochen. Dieser sind zurzeit – aus verschiedenen Gründen – lautstarke Gegner wie US-Präsident Donald Trump und Senator Bernie Sanders erwachsen. Dabei war gerade die Globalisierung „treibende Kraft von Innovation und Massenwohlstand“, wie der Booth unterstrich. Gerade aus christlicher Sicht solle Globalisierung daher befürwortet werden. Booth war langjähriger Forschungsdirektor des Londoner Institute of Economic Affairs (IEA), wo er als Senior Fellow tätig bleibt, und lehrt darüber hinaus als Professor für Finance, Public Policy and Ethics an der St. Mary’s University in Twickenham/London.
Der Kapitalismus auf der Anklagebank
Mit weit verbreiteten Vorwürfen gegen den Kapitalismus befasste sich der Präsident des Austrian Institute Martin Rhonheimer. Ausbeutung von Arbeitskräften und Umwelt sind kein Charakteristikum des Kapitalismus, wie Rhonheimer unterstrich, indem er die gedanklichen Fehler der marxschen Ausbeutungstheorie offenlegte. Die Gründe für den anhaltenden Antikapitalismus sind vielfältig, unbeschadet der Tatsache, dass gerade Kapitalismus und Marktwirtschaft das größte Problem der Menschheit beseitigt haben: die Massenarmut. Kluge Gesetzgebung, die den Markmechanismus aber nicht außer Kraft setzt, hat in den vergangenen Jahrzehnten geholfen, die Produktion umwelt- und ressourcenschonender Technologien zu fördern und eine zunehmende „Entmaterialisierung“ des Wachstums zu erzeugen. Das kommt auch dem Klimaschutz zugute, ein ernstes Problem, das aber ohne Panikmache angegangen werden sollte. Im Hinblick auf derzeitige Debatten über sozialer Ungleichheit meinte Rhonheimer in seinem zweiten Referat: Ungleichheit ist nicht immer ungerecht. Entscheidend ist die Überwindung von Armut und dass jeder ein menschenwürdiges Leben führen kann. Ein solches zeichnet sich dadurch aus, das eigene Leben auf selbstbestimmte Weise und nicht in Abhängigkeit vom Staat führen und durch eigene Arbeit verbessern zu können. Nicht wie Armut, sondern, wie Wohlstand entsteht, ist deshalb die entscheidende Frage.
Am letzten Tag dann kam die Austrian Academy in der unternehmerischen Praxis an: Der österreichische Industrielle Norbert Zimmermann – bis 2008 Vorstandsvorsitzender, danach Vorsitzender des Aufsichtsrats der Berndorf AG – sprach in einem moderierten Gespräch mit Bernhard Weber (ICEP) über seine bewegte Karriere, die Ende der 1980er Jahre eine spannende Wendung erfuhr, als er die Geschäftsführung der damals noch staatlichen Berndorfer Metallwarenfabrik (heute Berndorf AG) übernahm, in der Folge schwere Konflikte mit dem Betriebsrat durchstehen musste, diese aber schließlich zu breiter Zufriedenheit lösen konnte. Zimmermanns Ausführungen lieferten einen faszinierenden Einblick in unternehmerisches Handeln, geprägt von der Bereitschaft Risiken einzugehen und immer wieder Neues zu beginnen und dazuzulernen. Dazu erhielten die Teilnehmer auch Einblicke in den Alltag von Führungskräften in privaten wie staatlichen Unternehmen und in das von Zimmermann persönlich entwickelte Modell der Mitarbeiterbeteiligung. Aus der nachfolgenden Fragenrunde ergaben sich auch praktische Tipps für angehende Jungunternehmer und ein eindrückliches Bild eines gelungenen Unternehmerlebens. Im April 2020 hat Zimmermann nun den Aufsichtsratsvorsitz der Berndorf AG an seine Tochter übergeben.
Wir werden in Kürze alle Vorträge der Austrian Academy 2020, die in Kooperation mit der Friedrich August von Hayek-Stiftung für eine freie Gesellschaft (Berlin) und mit Unterstützung der Österreichischen Industriellenvereinigung abgehalten wurde, auf unserer Website bzw. auf YouTube zugänglich machen.
Und hier einige fotografische Impressionen von der Austrian Academy 2020 (Bilder anklicken):