Im Jahre 1949 schrieb der spätere Wirtschaftsnobelpreisträger Friedrich August von Hayek, einer der wichtigsten Vertreter der Österreichischen Schule der Nationalökonomie, in einem Aufsatz mit dem Titel ‚The Intellectuals and Socialism‘: „Was wir brauchen ist eine liberale Utopie, ein Programm, das weder bloße Verteidigung des Bestehenden noch eine verwässerte Version des Sozialismus ist, sondern ein wahrhaft liberaler Radikalismus, der keine Rücksicht auf die Empfindlichkeiten der Mächtigen (auch nicht der Gewerkschaften) nimmt, nicht in übertriebener Weise praxisorientiert ist und sich auch nicht darauf beschränkt, was jetzt und heute als politisch realisierbar erscheint. Wir brauchen intellektuelle Führungskräfte, die bereit sind, für ein Ideal zu arbeiten, wie gering auch die Aussichten auf dessen unmittelbare Verwirklichung sein mögen. Es müssen Leute sein, die bereit sind, an Prinzipien festzuhalten und für deren volle Verwirklichung zu kämpfen, wie weit diese auch in der Zukunft liegen mag.“ (Das Originalzitat findet sich am Schluss dieses Artikels.)
Liberal ist für Hayek eine Gesellschaft, in der individuelle Freiheit und Selbstverantwortung Trumpf sind. Eine Gesellschaft, in der kein Mensch andere Menschen zwingen kann, nach seinen eigenen Vorstellungen zu leben. Eine Gesellschaft, die auf der freien Kooperation der Menschen beruht und in welcher der Staat vornehmlich die Aufgabe hat, diese Freiheit zu schützen, zu fördern und – immer im Interesse der individuellen Freiheit – ordnend einzuschränken, so dass es jedem aufgrund der Gleichheit vor dem Gesetz freisteht, die Ziele zu verfolgen, die er für sein Leben vorzieht. Natürlich heißt dies nicht, dass alle Ziele gleich wertvoll sind, dass es nicht auch falsche und richtige Lebensführung geben kann. Aber es ist nicht der Staat, der mit Zwang hier einzugreifen hat. Liberal sein heißt nicht, keine eigene Meinung über richtig und falsch zu haben, sondern diese nicht mit Hilfe der Staatsgewalt anderen aufzuzwingen.
Wie eine solche Gesellschaft genau und konkret aussehen sollte: Darüber lässt sich streiten und gibt es verschiedene Ansichten. Doch sind Liberale im Sinne Hayeks und auch seines Lehrers Ludwig von Mises Personen, die überzeugt sind, dass es politische Freiheit ohne wirtschaftliche Freiheit nicht geben kann und dass wirtschaftliche Freiheit dort, wo die politische fehlt, letztlich dazu führt, dass auch diese den Menschen nicht vorenthalten werden kann. Und sie sind überzeugt, dass aus den Kräften der Freiheit eine Ordnung entsteht, die nicht nur materiellen Wohlstand schafft, sondern auch Grundlage wahrer Kultur und der Güter des Geistes ist. Deshalb sind sie Feinde des Sozialismus und jeglicher sozialistischen Tendenzen und davon überzeugt, dass nur Marktwirtschaft und die Wirtschaftsform des Kapitalismus mit einer freien und menschlichen Gesellschaft vereinbar sind.
Diese Überzeugung teilen auch die Mitarbeiter des Austrian Institute, dessen Tätigkeit mit der Veröffentlichung dieser Webseite beginnt. Wir wollen diese klassisch-liberale „Utopie“ im Sinne Hayeks verwirklichen helfen. „Utopie“ nicht im landläufigen Sinne des Realitätsfernen, sondern Utopie im Sinne dessen, was viele angesichts von Denk- und Handlungsgewohnheiten sich (noch) nicht vorstellen können und was politisch nicht kurzfristig oder gar unmittelbar erreichbar ist. Doch der Wandel der Wirklichkeit beginnt in den Köpfen. Es ist letztlich die Macht der Ideen, die die Welt gestaltet. Und wir möchten dazu beitragen, dass es die besseren Ideen sind, die die Oberhand gewinnen.
Wir sind keine Ideologen und Phantasten, auch nicht Vertreter eines doktrinären Liberalismus, der nur eine „wahre Lehre“ kennt, wir vertreten aber Prinzipien. Denn gerade das liberale Denken ist ein Denken auf der Grundlage von Prinzipien. Die liberalen Prinzipien, die wir vertreten, können Gläubige aller Bekenntnisse wie auch Agnostiker und Atheisten unterschreiben. Dennoch ist es uns – wie wir auch in unserem ‚Mission Statement‘ festhalten – ein besonderes Anliegen, unter Christen und in kirchlichen Kreisen das Verständnis dafür zu wecken, dass sich gerade unter den Bedingungen von Kapitalismus und freier Marktwirtschaft die Ziele christlicher Ethik am besten erreichen lassen.
Dabei orientieren wir uns hauptsächlich an den vielfältigen Erkenntnissen der Österreichischen Schule der Nationalökonomie, die leider im heutigen akademischen Lehrbetrieb nur mehr eine marginale Rolle spielt. Das hängt damit zusammen, dass sie in einem politischen Kontext, in dem Staaten und Politiker davon überzeugt sind, die Wirtschaft planen, steuern, „ankurbeln“ und „feinabstimmen“ zu können, die Denkweise der ‚Austrians‘, wie man sie in der englischsprachigen Welt nennt, als praxisfern und sogar störend empfunden wird. Doch gerade das macht dieses ökonomische Denken so interessant. Denn es zeichnet eine Wirklichkeit von Wirtschaft und Gesellschaft, die man eben gerade nicht durch planendes und steuerndes Tun von oben in den Griff bekommen kann, sondern die sich von unten her, durch die spontane Koordination der Marktkräfte – diese sind nichts anderes als handelnde Menschen – aufbaut und immer wieder neu und überraschend wohlstandsfördernd auswirkt.
Im Gegensatz zu anderen Sichtweisen der Ökonomik, die auf eher abstrakten Modellen und technokratischen Paradigmen beruhen, vertritt die Österreichische Schule der Nationalökonomie einen wahren Wirtschaftshumanismus: Hier stehen der reale Mensch und sein freies Handeln im Mittelpunkt. Die großen Vertreter dieser Schule, insbesondere F. A. von Hayek, aber auch Ludwig von Mises, waren deshalb auch Sozialphilosophen. Sie haben eine ganze Reihe von sozialphilosophischen Ansätzen anderer liberal denkender Autoren befruchtet. Ein besonderes Anliegen ist es dem Austrian Institute aber, die Tradition der Österreichischen Schule mit einer anderen Denkströmung zusammenzubringen, der sie – auch wenn das nicht alle so sehen mögen – innerlich verwandt ist: Die europäische Tradition des Naturrechts und die christliche Soziallehre, deren Prinzipien durch den Kontakt mit der Denkweise der Österreichischen Schule der Nationalökonomie eine theoretisch klarere und praxisnähere Gestalt erhalten kann. Gleichzeitig ergänzen und bereichern diese Prinzipien aber auch die Sozialphilosophie der Österreichischen Schule der Nationalökonomie und anderer marktorientierter Ansätze.
Zur Verwirklichung dieser „liberalen Utopie“ im Sinne Hayeks wollen wir beitragen durch ein Bildungsangebot, das wir nach und nach aufbauen werden, durch Informationen und Kommentare, wissenschaftliche Studien, solche, die wir selber anfertigen wie auch die Zurverfügungstellung eines reichen Materials, das bereits existiert, oft aber in – auch aus sprachlichen Gründen – unzugänglicher Weise. Wir verstehen aber auch, ganz im Sinne Hayeks, die Arbeit dieses Instituts als ein ‚evolutionäres‘ Projekt, dessen definitive Konturen sich erst allmählich deutlicher herauskristallisieren werden.
Der Name ‚Austrian Institute‘ soll gerade auch im deutschen Sprachraum ein Markenzeichen werden, das für die Ideen der ‚Austrian Economics‘ steht. Um unser Ziel zu erreichen brauchen wir einen langen Atem. Wir hoffen, dass das Feedback und die Unterstützung, auf die wir auch in materieller Hinsicht angewiesen sind, uns helfen werden, den erforderlichen langen Atem auch wirklich zu haben.
Das Team des Austrian Institute
Originalzitat aus:
F. A. von Hayek, The Intellectuals and Socialism, The University of Chicago Law Review (Spring 1949):“What we lack is a liberal utopia, a program which seems neither a mere defense of things as they are nor a diluted kind of socialism, but a truly liberal radicalism which does not spare the susceptibilities of the mighty (including the trade unions), which is not too severely practical, and which does not confine itself to what appears today as politically possible. We need intellectual leaders who are willing to work for an ideal, however small may be the prospects of its early realization. They must be men who are willing to stick to principles and to fight for their full realization, however remote.”