Multinationale Unternehmen, die gerade auch in weniger entwickelten Ländern investieren, sind beliebte Prügelknaben. Ihnen wird unter anderem vorgeworfen, wegen geringerer Regulierung die Umwelt zu verschmutzen, Menschenrechte zu verletzten oder von tieferen Sozialstandards auf Kosten der lokalen Belegschaft zu profitieren. Die Wirklichkeit ist komplexer. Sie zeigt: Multinationale Unternehmen können einen großen Beitrag zur Entwicklung leisten. Dies ist in ihrem eigenen Interesse. Was dafür nötig ist, und wie diese positive Tendenz unterstützt werden kann, ist kein Geheimnis. Das Rezept lautet: «Embeddedness» – Einbindung von ausländischen Unternehmen in die lokale Wirtschaft und Gesellschaft.
Der vorliegende Beitrag ist eine Kurzfassung. Eine ausführliche und dokumentierte Fassung können Sie als „Austrian Institute Paper“ (Nr. 16/2017) herunterladen: Zum Download hier klicken.
Die Art und Weise wie die Weltwirtschaft Güter und Dienstleistungen produziert und austauscht, war noch nie so dynamisch und die internationalen Verflechtungen noch nie so groß. Direktinvestitionen der Unternehmen im Ausland (Foreign Direct Investment, FDI) sind dabei eine wichtige Triebfeder weltweiter Handelsflüsse. Für weniger entwickelte Länder ist es attraktiv, Direktinvestitionen anzulocken, da die vertiefte Einbindung einer Volkswirtschaft in den internationalen Handel zu inländischem Wirtschaftswachstum führt. Für multinationale Unternehmen (MNU) andererseits ist es interessant, in Entwicklungsländern zu investieren, da ihnen das einen besseren Marktzugang verschafft, und sie billigere und vielfältigere Vorleistungsgüter beziehen können, was zu signifikanten Produktivitätssteigerungen führen kann. Daraus ergeben sich zudem Vorteile für die lokale Bevölkerung im Gastland in Form von ansteigenden Pro-Kopf-Einkommen sowie Wissens- und Technologietransfer. Wird dieses innovative Wissen durch lokale Unternehmen aufgenommen und in neue Technologien, Produkte und Dienstleistungen übersetzt, wird Wachstum ermöglicht.
Vorteile der Einbettung für alle
Voraussetzung für diese potenziell positive und nachhaltige Entwicklung ist jedoch die Bereitschaft der MNU sich in die lokale Wirtschaft einzubetten. Dabei müssen MNU zwingend die unternehmensintern festgesetzten «Corporate Governance» Leitlinien, den «Code of Conduct» oder auch strikte Nachhaltigkeitsstandards einhalten. Nur dann lohnen sich die Direktinvestitionen nicht nur für die ausländischen Investoren, sondern auch für die lokale Wirtschaft, die Gesellschaft und die Umwelt im Gastland. Findet keine Ankoppelung an die lokale Wirtschaft statt, bilden sich sogenannte «Offshore»-Firmen, die losgelöst vom lokalen Kontext operieren. Für sie ist der Aufwand in die Kapazitäten der lokalen Wirtschaft zu investieren, um diese in ihr Produktionsnetzwerk zu integrieren, zu groß. Es ergeben sich somit keine erheblichen Synergien für die Entwicklung des Gastlandes.
Die Herausforderung besteht darin, institutionelle Rahmenbedingungen zu schaffen, die es für ausländische Investoren attraktiv macht, mit Firmen im Gastland geschäftliche Verbindungen aufzubauen und diese kontinuierlich zu vertiefen. Nur so kann ein Technologie- und Wissenstransfer und langfristig eine steigende Wertschöpfung im Empfängerland stattfinden. Ebenfalls wichtig ist, dass die lokale Gesellschaft teilhaben kann; durch besseren Zugang zu Produkten und Dienstleistungen, die zuvor nicht verfügbar waren, durch neue Absatzmöglichkeiten für eigene Erzeugnisse, bessere Ausbildungsmöglichkeiten, bessere Aufstiegs- und Integrationschancen in die formale Wirtschaft sowie der Teilhabe an einer neuen Unternehmerkultur, die hilft, auch lokale Probleme besser in den Griff zu bekommen. Wenn KMU als Zulieferer oder Dienstleister von MNU in Wertschöpfungsketten rekrutiert werden, sind sie gezwungen, ihre Standards und die Produktivität zu verbessern. Sie profitieren dadurch von Investitionen und Know-how Transfer und werden dadurch auch nachhaltiger im Umgang mit knappen Ressourcen. Die sich verbessernden Absatzchancen motivieren die lokalen Unternehmer, vermehrt in die Zukunft zu investieren. Sie werden dadurch lernbereiter und erneuerungsfähiger.
Verzerrte Wahrnehmung: Die Mär von den «bösen» multinationalen Unternehmen
In der Wahrnehmung des breiten Publikums kommen aber MNU mit ihren Auslandaktivitäten oft schlecht an. Sie werden insbesondere von Globalisierungsgegnern verantwortlich gemacht für Umweltverschmutzung, Menschenrechtsverletzungen, Korruption, Ausbeutung von Rohstoffen und anderem mehr und würden alles dem privaten Gewinnstreben unterordnen. Über die positiven Nachhaltigkeitseffekte für die lokale Gemeinschaft, die sich beispielsweise aus den Aktivitäten von Tochterunternehmen im Ausland ergeben, wissen die wenigsten etwas. Dies hängt auch damit zusammen, dass in der Presse hauptsächlich über negative Auswirkungen berichtet wird, und Rating-Agenturen sich vor allem auf Risiken und weniger auf die Chancen fokussieren, die sich durch MNU ergeben.
MNU haben es bis heute nicht geschafft, die öffentliche Wahrnehmung positiv zu prägen. Ihr Glaubwürdigkeitsproblem rührt daher, dass sie in den Augen der Öffentlichkeit nur private Interessen vertreten und ihnen somit das öffentliche Wohl gleichgültig wäre. Diese Annahme lässt sich immer über Anekdoten von Unternehmen belegen, die sich gegenüber Gesellschaft und Umwelt skrupellos verhalten. Solche Firmen müssen jedoch im Zeitalter des Internets mit einem erheblichen Reputationsschaden rechnen. Dieser Schaden trifft dann leider auch andere Akteure in der Branche, die tatsächlich zum öffentlichen Wohl beitragen, weil sie ein langfristiges Eigeninteresse verfolgen. Ein Unternehmen, das ihm Ausland langfristig investiert, hat ein aktives Interesse am Wohlergehen der lokalen Bevölkerung. Wenn diese nicht von der Präsenz des Unternehmens profitiert, hat das Unternehmen ein Legitimationsproblem, und die Betriebslizenz («license to operate») kann auf dem Spiel stehen.
Nicht nur die negativen, sondern auch die positiven Effekte messen
Unternehmen operieren nämlich nie in einem Vakuum, wie es auch der ISO-26000 Standard zur gesellschaftlichen Verantwortung («social responsibility») festhält. Außerdem kann ein Unternehmen langfristig nur in einem Umfeld florieren, zu dem es Sorge trägt. Somit investiert es auch in gesunde, motivierte und gut ausgebildete Arbeitskräfte, sowie eine verlässliche Infrastruktur und eine ressourcenschonende Nutzung der lokalen Ressourcen. Mit solchen Investitionen tragen sie oftmals mehr zur lokalen Ermächtigung bei als Hilfsorganisationen, die angeblich im öffentlichen Interesse handeln. Diese fokussieren auf die Präferenzen der Geldgeber im Norden, die im Wandel ein Risiko sehen. Sie tendieren daher dazu, Strukturen zu bewahren, die nicht nachhaltig sind, weil sie den Leuten keine echten Zukunftsperspektiven bieten können.
Verlässliche staatliche institutionelle Rahmenbedingungen und Unternehmen, die sich lokal einbetten, sind wichtige Bedingungen auf dem Weg zur Erfüllung der im September 2015 verabschiedeten 17 Nachhaltigkeitsziele (SDGs). Die SDGs streben an, in einer gemeinsamen Anstrengung Wohlstand für alle zu schaffen, ohne dabei die Umwelt und den Frieden auf dem Planeten zu gefährden. Bei der Umsetzung der Ziele wird dem Privatsektor eine zentrale Rolle zugeschrieben. Aber nicht nur Staaten und Unternehmen sind in der Pflicht, sondern auch Konsumenten, gerade in der westlichen Welt. Dort gehört es zum guten Ton, MNU durchwegs scharf zu kritisieren, auch wenn sie großen Nutzen durch verantwortungsvolle lokale Einbettung generieren. Um dem entgegenzuwirken zu können, sollten nicht nur die negativen, sondern auch die positiven Effekte gemessen werden, die durch die Präsenz eines Unternehmens in einer Region erzeugt werden. Die Forschung sollte die Möglichkeit haben, größere Datenmengen über die lokale Wirkung von MNU zu erheben, und somit deren Messbarkeit zu verbessern. Unter dem Motto «steter Tropfen höhlt den Stein» wird sich hoffentlich mit der Zeit ein differenzierteres Bild der MNU in der westlichen Gesellschaft etablieren. Die Messbarkeit der positiven Effekte von lokaler Einbettung wäre insbesondere in Bezug auf die Erreichung der SDGs von großer Bedeutung, denn diese können ohne verantwortungsvolle Direktinvestitionen unmöglich erreicht werden. Je grösser die Anerkennung für Nachhaltigkeitsleistungen ist, desto größer ist der Anreiz zur nachhaltigen Einbettung.