Lange Zeit waren es nur kurze Artikel, die auf den Wirtschaftsseiten der Zeitungen zu finden waren: Land A hat seine Goldreserven erhöht, Land B und Land C überlegen, ihren bilateralen Rohstoffhandel nicht mehr in US-Dollar, sondern in einer der beiden Landeswährungen abzuwickeln, zum Teil aufgrund von Sanktionen wie im Falle des Iran, zum Teil, um politisch unabhängiger zu werden. Doch die Häufigkeit solcher Zeitungsartikel nimmt ebenso zu wie ihre Länge.
Ein Grund dafür ist die von Präsident Trump konsequent verfolgte „America First“-Politik. Diese trägt ihr Scherflein dazu bei, die Herausbildung einer neuen globalen Währungsordnung zu bewirken. So wie sich die „America First“-Politik in den internationalen Beziehungen in einen neuen Multilateralismus übersetzen sollte, weil die USA nicht mehr als alleiniger Weltpolizist agieren möchten, so scheinen die USA kein Problem mit dem Aufkommen einer multipolaren Währungsordnung zu haben. Die Stunden des US-Dollar als Weltleit- und Weltreservewährung scheinen gezählt.
Das System von Bretton Woods – mit einem Konstruktionsfehler geboren
Doch zunächst ein kurzer Blick zurück in die jüngere Geldgeschichte: Seit der Bretton-Woods-Konferenz, die noch während des Zweiten Weltkriegs 1944 stattgefunden hat, nimmt der US-Dollar die Rolle als Weltleitwährung und Weltreservewährung ein. Schließlich waren zu dieser Zeit über 90% der globalen Goldreserven im Besitz der USA. Genau aus diesem Grund war es nicht möglich, zum klassischen Goldstandard von vor 1914 zurückzukehren. Den meisten Ländern fehlte dazu schlichtweg das Gold.
Die Lösung war die Einführung des Gold-Devisen-Standards. Unter dem Motto „The dollar is as good as gold“ fungierte neben Gold der US-Dollar als internationale Währungsreserve. Im internationalen Handel ist der US-Dollar der Standard, nach dem sich alles ausrichtet, zunächst noch mit einer – teilweisen und immer mehr abnehmenden – Golddeckung, seit dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems am 15. August 1971, als Präsident Richard Nixon das Goldfenster schloss, ohne diese. Im Ausland zirkulierten bereits so viele US-Dollar, dass die USA ihrer Einlöseverpflichtung nicht mehr nachkommen konnten. Im Bretton-Woods-System war es den ausländischen Zentralbanken gestattet, ihre US-Dollar-Reserven zum fixierten „Wechselkurs“ von 35 USD je Feinunze Gold einzutauschen.
Der Grund für diese de facto Bankrotterklärung der USA bestand in einem fundamentalen Konstruktionsfehler von Bretton Woods. Diesen hatte bereits 1959 der belgisch-US-amerikanische Ökonom Robert Triffin aufgedeckt.
Denn auf der einen Seite benötigte die Welt für die Abwicklung des zunehmenden Welthandels Zahlungsmittel, also US-Dollar. Diese weltweite Nachfrage nach US-Dollar räumt den USA ein „exorbitantes Privileg“ ein, wie es der damalige französische Finanzminister Valéry Giscard d’Estaing formulierte. Schließlich können sich die USA dadurch zu äußerst günstigen Konditionen finanzieren. Andererseits sind die USA zu chronischen Leistungsbilanzdefiziten verdammt. Denn der Export von US-Dollars in den Rest der Welt setzt voraus, dass die USA mehr Güter und Dienstleistungen importieren als sie exportieren. Der negative Saldo wird mit frisch gedruckten US-Dollar bzw. Staatsanleihen beglichen.
Die Folgen des Zusammenbruchs: Deindustrialisierung, Konsumrausch und zunehmende Abkehr vom Dollar
Das so genannte Triffin-Dilemma wurde mit dem Zusammenbruch von Bretton Woods nicht obsolet. Im Gegenteil. Seither begannen die Defizite erst richtig zu explodieren. Deindustrialisierung und ein anhaltender Konsumrausch sind nur zwei der negativen Konsequenzen dieser Entwicklung. Selbst die Wirtschaftssupermacht USA bekommt es zu spüren, wenn infolge wirtschaftlicher Unsicherheiten die Anleger in den US-Dollar flüchten, was eine eigenständige Geld- und Wirtschaftspolitik erschwert.
Donald Trump trat u.a. mit dem Versprechen an, das Leistungsbilanzdefizit zu verringern und die USA zu reindustrialisieren. Seine Handelspolitik richtet er an diesem Ziel aus. Ob die gewählten Mittel zielführend sind, steht auf einem anderen Blatt.
Eine signifikante und dauerhafte Rückführung des Leistungsbilanzdefizites hätte für den Rest der Welt allerdings einschneidende Konsequenzen. Aufgrund der massiven weltweiten Verschuldung in US-Dollar würde die Rückzahlung der in US-Dollar denominierten Schulden des Auslands deutlich erschwert werden. Wenn weniger US-Dollar ins Ausland fließen oder sogar netto in die USA zurückfließen wird die Bedienung dieser Schulden, ausgedrückt in der Landeswährung, teuer. Insbesondere für Schwellenländer könnte dies zu einem erheblichen finanziellen Problem werden.
Allerdings realisieren auch immer mehr Staaten die Nachteile der US-Dollar-zentrischen Währungsordnung, sei es aus politischen, sei es aus wirtschaftlichen Gründen. Um mehr Spielraum zu gewinnen und als Ausdruck eines erstarkenden Souveränitätswillens versuchen immer mehr Staaten ihre Abhängigkeit vom US-Dollar als Handels- und Reservewährung zu vermindern.
So hat der Iran bereits vor einiger Zeit angekündigt seine Auslandsgeschäfte verstärkt in Euro abzuwickeln, um dadurch die negativen Konsequenzen der US-amerikanischen Sanktionen zu mindern. Russland wendet sich aus demselben Grund vom US-Dollar ab. Die US-amerikanische Sanktionspolitik hatte zur Folge, dass die russischen Behörden Anlagen in US-Dollar als risikobehaftetes Investment eingestuft haben. Folglich hat Russland den größten Teil seiner Treasuries (US-Staatsanleihen) verkauft. Zudem soll der Rubel vermehrt als Handelswährung genutzt werden. Libyen spielt mit dem Gedanken, seinen Ölhandel in Euro zu fakturieren, während China schon mit einigen erdölexportierenden Ländern übereingekommen ist, den Ölexport in Yuan abzuwickeln. Im Frühjahr 2018 wurde zudem der Handel mit in Yuan denominierten Öl-Futures aufgenommen. Sollten sich diese Entwicklungen verstetigen, wird sich dies in den Bilanzen der Zentralbanken in der Diversifizierung der Reservewährungen niederschlagen.
Rückkehr des Goldes als Anker in einer multipolaren Währungsordnung?
Doch noch ein anderes altbekanntes Reserveasset hat in den vergangenen Jahren nahezu unbemerkt ein Comeback in den Bilanzen der Zentralbanken gefeiert, das Gold. Nachdem sich das von John Maynard Keynes als „barbarische Relikt“ diskreditierte Edelmetall jahrzehntelang auf dem Rückzug befunden hatte, setzte mit der Großen Finanzkrise 2007/2008 eine Trendwende ein, die ausschließlich auf das Konto der Schwellenländer geht. Seit dem Tiefpunkt 2006 legten die Goldreserven in den Schwellenländern kontinuierlich auf 8.755 Tonnen im Jahr 2017 zu, was einer ansehnlichen Zunahme um 90% entspricht. Dagegen verblieben die Goldreserven der Industriestaaten in diesem Zeitraum bei um die 25.000 Tonnen. Für die Erhöhung in den Schwellenländern zeichnen allen voran China, Russland und die Türkei verantwortlich, deren Goldreserven seit 2007 um 307% (China), 408% (Russland) und 486% (Türkei) zulegeten. Dadurch nahm der Anteil dieser drei Länder an den Goldreserven aller Zentralbanken ebenso zu und zwar von 1.524 Tonnen bzw. 5,1% im Jahr 2007 auf 4.804 Tonnen bzw. 14,3% in Q4/2017. Wirklich erstaunlich ist, dass in Russland mittlerweile rund 55% der Zentralbankgeldmenge M0 durch Goldreserven gedeckt sind. Im Euroraum sind es dagegen 9,5%, in den USA lediglich 8,8%.
Es ist kein Zufall, dass China, Russland und zunehmend auch die Türkei zu jenen Staaten zählen, die in den vergangenen Jahren die auf den US-Dollar zentrierte Währungsordnung und die Hegemonialansprüche der USA immer offensiver in Frage gestellt, wenn nicht gar bereits offen herausgefordert haben. Wie lässt sich der sukzessive Aufbau von Goldreserven vor diesem Hintergrund interpretieren? Er ist ein weiteres Indiz für das zunehmende Misstrauen in die USA und den US-Dollar. Er könnte zudem eine Vorbereitung auf eine neue multipolare Währungsordnung sein, in der Gold die Aufgabe zukommen könnte, als verbindende und unpolitische Konstante zu wirken.
Ronald P. Stöferle ist Partner bei Incrementum und Herausgeber des Goldreports In Gold We Trust