
Kommt der „American Exceptionalism“ infolge der Trumpschen Handelspolitik an ein Ende? Mit anderen Worten: Gehören die Sonderstellung der USA mit dem Dollar als globaler Leitwährung und der darauf gründenden Fähigkeit, sich zu niedrigen Zinsen immer weiter zu verschulden und weit über die eigene Wertschöpfung hinaus zu konsumieren, bald der Geschichte an? Was bedeutet der vom amerikanischen Präsidenten entfesselte Zollkrieg für Europa? Wird es davon profitieren können?
Darüber sprach am vergangenen 10. Juni vor einer kleinen Gruppe von Austrian Academy Alumni und Teilnehmern am Austrian Economics Colloquium (AEC) Gunther Schnabl, Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Leipzig und seit letztem Herbst Direktor des Flossbach von Storch Research Institute in Köln.
Eine überregulierte und durch allerlei bürokratische Hemmnisse eingeschränkte Wirtschaft, lähmt unternehmerische Freiheit und damit Innovation und Wachstum. Ohne diese wird Europa jedoch kaum Chancen haben, mit den USA in irgendeiner Weise gleichzuziehen.
In seinem Vortrag analysierte Schnabl die enge Verflechtung der globalen Märkte und ordnete aktuelle Entwicklungen geopolitisch und wirtschaftlich ein. Die gegen 20 Anwesenden erhielten Einblicke in derzeitige Marktentwicklungen, die vergleichend gegenübergestellt wurden. So attestierte Schnabl für Europa eher eingetrübte Wachstumsperspektiven, speziell Frankreich und Deutschland seien im Vergleich zu einem dynamischen US-Markt am Schwächeln.
Kein Ende des „American Exceptionalism“
In der Tat zeigt ein genauerer Blick auf die Vereinigten Staaten, dass sich ein Ende des „American Exceptionalism“ abzeichnen könnte. Die enorme Staatsverschuldung der Vereinigten Staat setzt den US-Dollar als Leitwährung unter hohen Druck. Das Haushaltsdefizit belaufe sich auf 1.800 Milliarden US-Dollar. Vielfach setzten Anleger weltweit auf Goldreserven, was zu einer deutlichen Wertsteigerung führte.
Gesellschaftspolitisch ist Präsident Trump mit innenpolitischen Verteilungskämpfen konfrontiert, was sich in den letzten drei US-Präsidentschaftswahlen zeigte. Im öffentlichen Sektor, etwa im Hochschulwesen und Krankenhäusern, stieg der Anteil der Beschäftigten in den vergangen Jahren deutlich an. Einfache Arbeitskräfte auf der anderen Seite profitierten nicht von der Globalisierung. Dieses Wählermilieu spricht Donald Trump bewusst an. Fazit: Mangels Alternativen wird trotzdem der US-Dollar trotz des Haushaltsdefizits und des Leistungsbilanzdefizites wohl den Stellenwert als Leitwährung behalten.
Der europäische Traum: Der Euro als globale Leitwährung
In einem zweiten Teil beleuchtete Gunther Schnabl die wirtschaftspolitischen Herausforderungen Europas. Der Traum mancher europäischer Politiker, den Euro zur Leitwährung zu machen, werde durch strukturelle Fehler in der Geld- und Fiskalpolitik konterkariert. Eine expansive Geldpolitik der EZB in einem heterogenen Währungsraum habe bestehende Ungleichgewichte verschärft. Auch in Deutschland sei die Geldmenge stark ausgeweitet und staatliche Subventionen forciert worden. Die vielgelobte „Schwarze Null“ unter Finanzminister Schäuble entpuppe sich bei näherem Hinsehen als trügerisch – echte Rücklagen für Krisenzeiten seien nicht aufgebaut worden.
Zudem schränke eine überbordende Regulierung die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen erheblich ein – im Gegensatz zu den USA, wo Trump durch umfassende Deregulierung neue wirtschaftliche Impulse gesetzt habe.
Ob die protektionistischen Zollpläne Trumps tatsächlich umgesetzt oder lediglich als Druckmittel in Verhandlungen genutzt werden, sei offen. Sicher sei jedoch: Er nutzt sie gezielt, um wirtschaftlich benachteiligte Wählergruppen politisch zu mobilisieren. Gleichwohl gelte: Freihandel bleibt eine zentrale Säule des Wohlstands.
Der europäische Binnenmarkt wirke in dieser Phase stabilisierend, doch müsse Europa – so Schnabl – den Mut aufbringen, sich von lähmender Bürokratie zu befreien. Die von Trump angestoßene Deregulierung könne hierbei als Beispiel dienen.
Dass ein Mehr an unternehmerischer Freiheit sich positiv auf die Volkswirtschaft auswirken würde, steht für Schnabl außer Frage. Auf Ludwig Erhard geht die Bemerkung zurück, die Volkswirtschaft sei kein Patient, an dem pausenlos herum operiert werden dürfe. Mit anderen Worten: Eine überregulierte und durch allerlei bürokratische Hemmnisse eingeschränkte Wirtschaft, lähmt unternehmerische Freiheit und damit Innovation und Wachstum. Ohne diese – so lässt sich aufgrund der Ausführungen Schnabls schließen – wird Europa jedoch kaum Chancen haben, mit den USA in irgendeiner Weise gleichzuziehen.
Siehe auch: Donald Trumps disruptive Zölle: Gefahren oder Chancen für die EU