Elon Musks Griff nach den Sternen: Warum wir auch von exzentrischen Unternehmern profitieren

Zugegeben, nicht alles an Elon Musk ist sympathisch oder gar vorbildlich. Das gilt etwa für das Tempo, mit dem er seine PR-Mitarbeiter auswechselt, oder für die extremen Arbeitsbedingungen, denen er seine Angestellten aussetzt, bis hin zu Zwölf-Stunden-Schichten sechs Tage pro Woche sowie nächtlichen Email-Bombardements. Dass Musk auch sich selbst viel zumutet und in stressigen Phasen schon mal fünf Nächte lang auf dem Boden der Produktionshalle schläft ohne seine Kleidung zu wechseln, macht es nicht besser. Manche ehemaligen Mitarbeiter bescheinigen dem CEO von Tesla und SpaceX fehlende Empathiefähigkeit und sogar Gefühlskälte. Dass in den vergangenen 24 Monaten mindestens 50 hochrangige Manager Tesla verlassen haben sollen, erscheint durchaus glaubwürdig. Zuletzt ging Chefingenieur Doug Field.

Doch nicht nur gegenüber Mitarbeitern ist Musk zuweilen grob. Mit überzogenen Ankündigungen stößt er auch regelmäßig die Investoren vor den Kopf. Auf kritische Anfragen von Finanzanalysten reagierte er jüngst gleichgültig und herablassend. Hinzu kommen seine Wutausbrüche gegenüber Kritikern, mit denen er sich gerne auf dem Kurznachrichtendienst Twitter duelliert, den er mit einer Kampfarena zu verwechseln scheint. Dass Musk kürzlich als Aprilscherz die Pleite von Tesla bekanntgegeben hat, dürfte die Stimmung seiner Geldgeber nicht wirklich gehoben haben.

Ein extremer Unternehmer, der nach den Sternen greift

Das Benehmen und der Führungsstil des 47-jährigen, von zwei Frauen geschiedenen Vaters von fünf Kindern lassen zu wünschen übrig. Was bei Elon Musk zuweilen noch mehr irritiert, ist seine für einen Unternehmer ganz und gar untypische Vorgangsweise. Nicht nur, dass er sich in eine Vielzahl von Großprojekten gleichzeitig stürzt – von der Raketen- und Raumfahrt, über Elektroautos, Solarenergie und Hyperloop bis hin zum Weltrauminternet – für Stirnrunzeln an der Wall Street sorgt vor allem Musks teils geringes Interesse an Umsatz und Gewinn. Wie konnte er etwa davon sprechen, hunderttausende von Autos zu produzieren, als Tesla noch mit jedem einzelnen Geld verlor?

Die Antwort: Diesem Mann geht es um mehr, als „nur“ darum, ein verlässliches Unternehmen zu führen, das die Fondsmanager erfreut. Die zentrale Antriebskraft von Musks Streben liegt woanders. Sie erschöpft sich auch nicht im permanenten Hervorbringen technischer Innovationen, wie es ihm in den vergangenen Jahren auf durchaus imponierende Weise gelungen ist. „Er glaubt an diese Technologien nur insofern, als er sie für geeignet hält, Fortschritte für die Menschheit zu bringen“, meint der US-amerikanische Wirtschaftsjournalist Ashlee Vance und Autor der lesenswerten Musk-Biographie „Elon Musk: Wie Elon Musk die Welt verändert“. Musks finales Ziel ist nichts Geringeres als die Besiedlung des Mars um die Menschheit zu einer interplanetaren Spezies zu machen und so ihr Überleben zu sichern.

Über diesen Wunsch spricht Musk manchmal sehr offen: „Ich würde beim Sterben gern denken können, dass die Menschheit noch eine leuchtende Zukunft vor sich hat. Wenn wir bis dahin das Problem der erneuerbaren Energien gelöst haben und erkennbar auf dem Weg sind, eine multiplanetare Spezies mit einer sich selbst erhaltenden Zivilisation auf einem anderen Planeten zu werden – für ein Worst-Case-Szenario, in dem das menschliche Bewusstsein ausgelöscht wird – , dann“, es folgt eine kurze Pause, „wäre das in meinen Augen wirklich gut.“

Musk konkurriert mit Monopolen und staatlichen Industrien

Das alles mag verrückt und exzentrisch klingen und Musks Angst um den Bestand der Menschheit ohne Marskolonie ist es auch. Larry Pager, Mitgründer und CEO von Google sowie enger Freund und glühender Bewunderer von Musk, meint andererseits nicht zu Unrecht: „Gute Ideen sind immer so lange verrückt, bis sie es nicht mehr sind.“ Als Google beschloss, sämtliche Bücher zu digitalisieren, hielten das alle konsultierten Experten damals für unmöglich – bis es Google gelang. Auch viele von Musks erfolgreichen Projekten wurden zunächst jahrelang als chancenlos abgetan. Mittlerweile konnte Musk Industriebereiche, die schon lange von einigen Monopolen dominiert werden oder die wie im Falle der Raumfahrt überhaupt fast vollständig in staatlichen Händen liegen, erneuern und vorantreiben: Musk setzte neue technologische Standards, denen andere nun nacheifern.

Das von Musk gegründete Raketenunternehmen SpaceX hat einige der mächtigsten Nationen herausgefordert und ihre Raumfahrtprogramme teilweise sogar übertroffen. Mit der Rakete Falcon 9 und dem Raumschiff Dragon ist das Unternehmen heute einer der wichtigsten Versorger der Internationalen Raumstation ISS. Vor einem Jahr wurde SpaceX weltweiter Marktführer bei Satellitenstarts und bietet nun mit der 2018 erstmals gestarteten Falcon Heavy die stärkste verfügbare Trägerrakete an. Seit 2014 baut SpaceX einen eigenen Weltraumbahnhof in Texas auf.

Musk stellt sämtliche Teile am liebsten selbst her, um nicht von Zulieferern abhängig zu sein und um mit höherer Frequenz und billiger produzieren zu können. Nun profitieren auch die USA von ihm. Lange Zeit waren sie in der Raumfahrt ins Hintertreffen geraten und bei der Zulieferung wichtiger Bestandteile auf Russland und China angewiesen gewesen. Dank SpaceX ist das heute anders.

Tesla wiederum ist in den USA der erste neue Automobilhersteller seit der Gründung von Chrysler im Jahr 1925. Derzeit produziert Tesla die Modelle 3, S und X und erreichte kürzlich sein Ziel 5.000 Model-3-Einheiten pro Woche zu produzieren. Das Unternehmen will „die Umstellung auf nachhaltige Mobilität und saubere Energie beschleunigen“. Neben Elektrofahrzeugen erzeugt Tesla auch Batterien, Solaranlagen und Stromspeicher und verspricht sich aus der Kombination dieser verschiedenen Produktkategorien höhere Effizienz. In der Gigafactory 1 stellt Tesla jährlich mittlerweile mehr Lithium-Ionenbatterien her als als vor der Errichtung der Gigafactory weltweit produziert wurden.

Die Software und die Apps der Teslas werden laufend weiterentwickelt – auch bei bereits verkauften Autos zur Freude der Käufer. Des Nachts hängen die Autos wie ein Smartphone an der Steckdose, zur Tankstelle müssen sie nicht mehr fahren. Wartungsarbeiten wie das Auswechseln von Öl sind bei Tesla nicht mehr nötig. Tesla verkörpert ein neues Fahrerlebnis.

Der Unternehmergeist des Silicon Valley

Mit Tesla und SpaceX brachte Musk den Unternehmergeist des Silicon Valley in die Automobil- und Raumfahrtindustrie. Dass dieser Weg alles andere als einfach ist, zeigt die Entstehungsgeschichte der Unternehmen. Zunächst steckte Musk 2002 sein Geld in die Gründung von SpaceX, nachdem er in den 1990er Jahren mit dem Internetunternehmen Zip2 und mit X.com – einem Onlinebezahlsystem via E-Mail, aus dem später PayPal hervorging –  zum Millionär geworden war. Der Anfang war hart. All die Erfahrungswerte, Kontakte, Gelder und Infrastrukturen, auf die bestehende Unternehmen wie die NASA zurückgreifen konnten, fehlten SpaceX. Eine Phase von Pannen und Rückschlägen begann. Die ersten drei Flüge scheiterten. Erst im September 2008 startete mit der Falcon 1 erstmals eine Rakete erfolgreich in die Erdumlaufbahn. Es war die erste komplett privat entwickelte Flüssigtreibstoffrakete, die den Orbit erreichte.

Nicht viel besser erging es Tesla, wo Musk zunächst Aufsichtsratsvorsitzender war, ehe er zum CEO avancierte. Sämtliche Ankündigungen Musks, bald Elektroautos in Serie herstellen zu können, erwiesen sich als zu optimistisch. Die technischen Schwierigkeiten brachten das Unternehmen 2008 an den Rand des Konkurses. In letzter Sekunde wurde es von einem Investor gerettet.

Mit letzter Kraft und mit seinem buchstäblich letzten Dollar konnte Musk beide Unternehmen retten, und das ausgerechnet im Krisenjahr 2008, als sich sämtliche Investoren zurückzogen. Da Musk das Geld ausging, musste er es sich von Freunden leihen, um überhaupt über die Runden kommen zu können. Die Konkurrenz belächelte den Neueinsteiger. Viele dachten, er habe lediglich ein großes Mundwerk, bringe aber nichts auf die Beine. Zur Überraschung vieler wendete sich das Blatt in den Folgejahren.

Von dem Beispiel Musks lernen

Es ist nicht unbedingt ratsam, erfolgreiche Unternehmerpersönlichkeiten zu imitieren. Manches kann man aber von ihnen lernen. So konnte sich Musk geschickt die Schwächen der oft bürokratischen und schwerfälligen Industrie zunutze machen, indem er schneller neue Dinge umsetzt und unabhängiger von anderen Herstellern wurde. Musk denkt nicht in kurzfristigen Erfolgen, sondern langfristig. Seine Naivität verbunden mit einer ordentlichen Portion Sturheit, die sich von warnenden Stimmen nicht beirren lässt, kam dem gebürtigen Südafrikaner ebenfalls zugute, freilich immer kombiniert mit seinem Sachwissen: Musk hat Physik studiert und wurde im Eigenstudium zum Experten für Raumfahrt, Elektroautos und Solarenergie. In Notsituationen wirft Musk nicht die Nerven weg, sondern behält einen kühlen Kopf. Manche meinen sogar, er arbeite unter Stress noch besser. Die besten Universitätsabsolventen und Wissenschaftler wollen heute für Musk arbeiten. Viele tun es seit Jahren mit Begeisterung: Hier können sie sich mehr einbringen als woanders.

Man könnte einwenden, Musk habe bisher nur Spielzeug für Reiche produziert. Sicherlich sind seine Produkte bisher zu teuer um ebenso massentauglich zu sein wie etwa Facebook. Doch, wie Ludwig von Mises geschrieben hat, sind die Luxusgüter von heute der Massenkonsum von morgen. So war das bei sämtlichen technischen Errungenschaften der vergangenen 200 Jahre. Vieles spricht dafür, dass es auch in diesem Fall so sein wird.

Es zahlt sich für eine Volkswirtschaft aus, kreative Köpfe wie Musk anzuziehen. Musks Erfolgsgeschichte führt vor Augen: Im freien Wettbewerb können auch zunächst chancenlos erscheinende Start-Ups mit bestehenden Monopolen konkurrieren. Friedrich August von Hayek hat den Wettbewerb als Entdeckungsverfahren charakterisiert. Dabei dachte er natürlich an das, was im Wettbewerb überall tagaus tagein geschieht, nicht nur an Exzentriker wie Musk. Doch Musk führt das große Entdeckungspotenzial des Wettbewerbs besonders anschaulich vor Augen. Unternehmerisches Handeln ist auch gemäß dem spanischen Ökonomieprofessor Jesús Huerta de Soto, der sich dabei auf Hayek stützt, „in seiner Essenz schöpferisch“. Es findet zunächst „im Denken“ statt und „schafft neue Information, die vorher nicht existiert hat“. Auch das hat Musk in vielfacher Hinsicht vorgezeigt.

Musk greift nach den Sternen. Ob er alle seine Ziele erreichen wird, steht ebenfalls dort. Viele Menschen mögen Musk wegen seines Verhaltens nicht – aus nachvollziehbaren Gründen. Doch belächelt wird er nur mehr von wenigen.

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