Teil 1: Die Sorge um den Bedarf
Die Sorge um den eigenen Bedarf ist für den Menschen elementar. Sie ist die wichtigste aller menschlichen Bestrebungen.
Um zu leben und zu gedeihen muss der Mensch seine Bedürfnisse befriedigen. Die Bedürfnisse entspringen nämlich unseren Trieben, die in unserer Natur wurzeln. Die Sorge um die Befriedigung unserer Bedürfnisse ist „gleichbedeutend mit der Sorge für unser Leben und unsere Wohlfahrt“. Die Menge an Gütern, die der Mensch zur Befriedigung seiner Bedürfnisse benötigt, nennen wir seinen Bedarf. Damit wird die Sorge um Leben und Wohlfahrt zur Sorge für die Deckung des Bedarfs (der nötigen Gütermenge).
Die Deckung des Bedarfs braucht Vorsorge
Die Sorge um die Deckung des Bedarfs erfordert vorausschauendes Handeln. Sie muss sich notwendigerweise auf bestimmte bevorstehende Zeiträume richten. Leben und Wohlfahrt des Menschen wären nämlich nur sehr schlecht gesichert, würden die Menschen sich erst dann um ihren Bedarf an Gütern kümmern, wenn sich die Bedürfnisse nach diesen bereits unmittelbar geltend machten. So müssen zum Beispiel die Bewohner eines Landes bereits vor Einbruch der rauen Jahreszeit den nötigen Vorrat an Nahrungsmitteln und Kleidern vorbereiten.
Für die Bedürfnisse der Gesellschaft nach bestimmten Dienstleistungen sorgt man in Kulturländern daher von langer Hand vor.
„Die Kulturmenschen zeichnen sich aber dadurch vor allen andern wirtschaftenden Individuen aus, dass sie nicht nur für eine kurze Spanne Zeit, sondern weit hinaus für die Befriedigung ihrer Bedürfnisse sorgen.“ Für die Bedürfnisse der Gesellschaft nach bestimmten Dienstleistungen sorgt man in Kulturländern daher von langer Hand vor. Auch der lange Produktionsprozess zur Gewinnung der nötigen Güter macht das notwendig.
Es gibt hierfür unzählige Beispiele: Während wir etwa noch die Winterkleidung anziehen, sind bereits Frühlingskleider in die Läden unterwegs. Ebenso muss für die Dienstleistungen eines Arztes oder Juristen vorgesorgt werden. Jeder wäre überfordert, müsste er sich im Bedarfsfall die nötigen medizinischen oder juristischen Fähigkeiten selbst aneignen. Für all diese Dienstleistungen ist „von langer Hand bereits vorgesorgt“.
Es gilt: „Die Sorge der Menschen für die Befriedigung ihrer Bedürfnisse wird demnach zur Vorsorge für die Deckung ihres Bedarfes an Gütern für kommende Zeiträume, und wir nennen dann den Bedarf eines Menschen jene Quantität von Gütern, die erforderlich ist, um seine Bedürfnisse innerhalb jenes Zeitraumes, auf welchen sich seine Vorsorge erstreckt, zu befriedigen.“
Diese erfolgreiche Vorsorge des Menschen für einen bestimmten Zeitraum setzt zwei Erkenntnisse voraus:
a) die Erkenntnis des Bedarfs an nötigen Gütermengen für den Zeitraum der Vorsorge;
b) die Erkenntnis der faktisch vorhandenen Gütermengen, die dabei zur Verfügung stehen.
Die Erkenntnis unseres Bedarfs an nötigen Genussgütern
„Die Menschen empfinden zunächst und unmittelbar nur Bedürfnisse nach Gütern erster Ordnung, das ist nach solchen Gütern, welche unmittelbar zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse herangezogen werden können.“ Diese Bedürfnisse legen für einen bestimmten Zeitraum fest, welche Güter der Mensch benötigt, und zweitens in welcher Anzahl (ihre Quantität).
Zunächst ist nicht bei allen Bedürfnissen klar, ob sie sich einstellen werden.
In beiderlei Hinsicht besitzen wir im Vorhinein nicht immer eine vollkommene Erkenntnis. So ist zunächst nicht bei allen Bedürfnissen klar, ob sie sich einstellen werden. Während wir von vornherein wissen, dass wir im kommenden Zeitraum ohne Nahrung, Kleidung, Wohnung u.a. nicht auskommen werden, können wir das bei ärztlichen Dienstleistungen und Medikamenten nicht sagen, denn sie hängen von nicht vorhersehbaren Ereignissen ab. Die vorausschauende Erkenntnis ist hier mangelhaft. Das verhindert aber nicht die Vorsorge für ihre Befriedigung. Gesunde Menschen besitzen eine Hausapotheke, und Hausbesitzer Löschapparate und Waffen. Die Menschen sorgen also auch für die eventuelle Befriedigung ihrer Bedürfnisse vor. Die Ungewissheit schließt die Vorsorge nicht aus.
Die gleiche Unsicherheit gilt manchmal auch für die Quantität: Zwar können wir uns zuweilen sicher sein, ob wir gewisse Güter zur Befriedigung eines Bedürfnis benötigen werden, aber nicht in welchem Ausmaß. Auch hier „halten die Menschen, und zwar mit Recht, ihren Bedarf erst dann für vollständig gedeckt, wenn sie über die für alle voraussichtlichen Fälle ausreichenden Güterquantitäten zu verfügen vermögen“.
Hinzu kommt noch die Entwicklungsfähigkeit der menschlichen Bedürfnisse, die teils bis ins Unendliche geht. Das ändert aber nichts an ihrer Berechenbarkeit für gestimmte Zeiträume: Zwar ist der Fortschritt der menschlichen Bedürfnisse in der Zukunft unendlich, er bleibt aber überschaubar für einen bestimmten Zeitabschnitt. Diese zu erwartende Steigerung der eigenen Bedürfnisse innerhalb eines Zeitraums wird ja auch berücksichtigt: Wer zum Beispiel eine Vermehrung seiner Familie oder eine höhere Stellung erwartet, der nimmt darauf u.a. bei der Einrichtung seiner Wohnung Rücksicht. Gleiches gilt für Stadtgemeinden und Staaten, die Wasserleitungen, öffentliche Gebäude u.a. auf die gesteigerten Bedürfnisse der Bevölkerung in der Zukunft anlegen.
Fazit: Der „Bedarf des Menschen an Genussmitteln [ist] eine Größe …, deren quantitativer Bestimmung, mit Rücksicht auf kommende Zeiträume keine prinzipiellen Schwierigkeiten entgegenstehen.“ Der Mensch beschränkt sich dabei auf bestimmte Zeiträume und auf jenen Grad an Genauigkeit, der für den praktischen Erfolg ausreicht.
Die Erkenntnis unseres effektiven und latenten Bedarfs an Gütern höherer Ordnung
Ohne Bedürfnis nach Gütern erster Ordnung „kann auch ein Bedarf an Gütern höherer Ordnung nicht entstehen. Der Bedarf an Gütern höherer Ordnung ist also durch unseren Bedarf an Gütern erster Ordnung bedingt.“ Dieser Bedarf an Gütern höherer Ordnung entsteht, sobald unser Bedarf nach Gütern erster Ordnung für einen bestimmten Zeitraum nicht oder nicht vollständig durch die Güter erster Ordnung selbst gedeckt ist. Dann entsteht für diesen Zeitabschnitt auch ein Bedarf nach Gütern höherer Ordnung, und zwar in jenem Umfang, der zu Deckung unseres Bedarfs an Gütern erster Ordnung nötig ist.
Nun kann der Mensch aber [wie im vorigen Kapitel erklärt wurde] nur dann ein Gut höherer Ordnung zur Herstellung eines Gutes niederer Ordnung verwenden, wenn er über die entsprechenden Komplementärgüter verfügt. „Es tritt demnach auch niemals ein Bedarf an einem einzelnen Gute höherer Ordnung auf“, sondern immer zugleich mit den entsprechenden quantitativen Bedarf an komplementären Gütern.
Ein Beispiel: Für einen bestimmten Zeitraum beträgt der (noch ungedeckte) Bedarf an Schuhen 10.000 Paar. Zu ihrer Herstellung verfügen wir über die erforderliche Menge an Werkzeugen und Arbeitsleistungen. Doch die Menge an Leder reicht nur für 5.000 Paare aus. Der Gesamtbedarf von 10.000 Paaren bleibt dadurch unverändert, aber der effektive Bedarf richtet sich nur mehr auf Produktionsgüter zur Herstellung von 5.000 Paar. Der übrige Bedarf ist dann ein latenter, der erst durch Verfügen über die zusätzlich nötige Menge an Leder ein effektiver würde.
In der hoch entwickelten Arbeitsteilung produzieren Personen Güter höherer Ordnung unter der stillschweigenden Voraussetzung, dass andere die entsprechenden komplementären Güter in der nötigen Quantität herstellen.
Der effektive Bedarf an Gütern höherer Ordnung ist somit durch die Verfügung über deren komplementäre Güter bedingt.
Ein Beispiel aus der Geschichte: Während des Amerikanischen Bürgerkriegs [1861 bis 1865)] sank die Zufuhr von Baumwollstoffen nach Europa, der Gesamtbedarf an Baumwolle blieb in diesem Zeitraum aber gleich. Die bereits fertigen Baumwoll-Produkte reichten zur Überbrückung des Zeitraums nicht aus. Somit bestand ein Bedarf an jener Menge von Gütern höherer Ordnung, mit der man die nötige Menge an Baumwoll-Produkten hervorbringen konnte. Da aber eines dieser Güter – die rohe Baumwolle – nicht mehr in diesem Umfang vorhanden war, sank auch der effektive Bedarf an ihren Komplementärgütern, wie z.B. Arbeit und Maschinen. Ein Teil des bisherigen Bedarfs an solchen Gütern wurde daher latent, und erst wieder mit dem Ende des Bürgerkriegs effektiv.
Man sieht: In der hoch entwickelten Arbeitsteilung produzieren Personen Güter höherer Ordnung unter der stillschweigenden Voraussetzung, dass andere die entsprechenden komplementären Güter in der nötigen Quantität herstellen: Die Gütermenge der Komplementärgüter bestimmt den effektiven Bedarf nach den anderen Gütern höherer Ordnung.
Die Beachtung der Produktionszeiträume bei Gütern höherer Ordnung
Der Bedarf an Gütern erster Ordnung ist für einen Zeitraum gedeckt, sobald wir diese Güter erster Ordnung unmittelbar besitzen. Wo kein Produktionsprozess nötig ist, genügt somit die Verfügung über diese Güter in der Zeitspanne. Anders ist es, wenn wir diesen Bedarf durch Güter höherer Ordnung und somit mittelbar decken. Hier ist Vorausplanung nötig, und zwar wegen des Zeitaufwands des Produktionsprozesses.
Der Bedarf eines Volks an Getreide für den Spätherbst muss bereits während dieser Jahreszeit gedeckt sein.
Ein Produktionsprozess durchläuft eine Reihenfolge von Zeiträumen (I, II, III, IV etc.), innerhalb denen die Güter erster, zweiter, dritter, vierter usw. Ordnung fertig gestellt und verfügbar sind. In diesen Zeitabschnitten müssen wir aber bereits über die Güter erster Ordnung unmittelbar verfügen. Nun gilt es richtig vorauszuplanen: Klarerweise können wir nicht den Bedarf an Gütern erster Ordnung innerhalb des Zeitraums II durch Güter vierter Ordnung decken. Vielmehr muss man bereits über Güter erster oder zweiter Ordnung verfügen.
Zum Beispiel muss der Bedarf eines Volks an Getreide für den Spätherbst bereits während dieser Jahreszeit gedeckt sein. Wenn dieses Volk erst im Spätherbst Grundstücke, landwirtschaftliche Geräte, Arbeitsleistungen etc. heranzieht, ist es zu spät. Es ist vielmehr der richtige Zeitpunkt, um mit diesen Gütern höherer Ordnung den Getreidebedarf der kommenden Jahresperiode zu decken. Gleiches gilt für den Bedarf an qualifizierten Schullehrern: Um ihn in kommenden Jahrzehnten zu decken, muss man solche Lehrkräfte bereits heute ausbilden.
Der Bedarf an Gütern höherer Ordnung regelt sich somit nicht nur in Hinblick auf seine quantitative Höhe in klar gesetzlicher Weise, so wie es die Güter erster Ordnung tun, sondern auch innerhalb bestimmter Zeiträume. Die Menschen können aber beides – Quantität und Zeitraum – bestimmen, und zwar gestützt auf Erfahrungen über ihre Bedürfnisse und den Produktionsprozess. Sie schaffen das mit jener Genauigkeit, die für ihren praktischen Nutzen ausreicht, und vervollkommnen diese Genauigkeit immer weiter.
Wie die Menschen die Quantität der verfügbaren Güterquantitäten erkennen
In den vorigen drei Abschnitten wurde geklärt, wie Menschen den Güterbedarf für kommende Zeiträume erkennen. Die richtige Voraussicht, die sie so erlangen, ist die „erste Voraussetzung aller auf die Befriedigung der Bedürfnisse gerichteten vorsorglichen Tätigkeit der Menschen“.
Die zweite Voraussetzung ist der Einblick in die verfügbaren Güterquantitäten, die den Menschen zu diesem Zweck zur Verfügung stehen. Die Menschen gewinnen diesen Einblick durch Inventarisieren und Messen der verfügbaren Güter, und zwar bereits auf niederen Kulturstufen. „Das ideale Ziel dieser beiden Akte der vorsorglichen Tätigkeit der Menschen ist die vollständige Aufnahme der ihnen in einem gegebenen Zeitpunkt verfügbaren Güter, die Klassifizierung derselben in vollkommen gleichartige Quantitäten und die genaue Bestimmung der Größe dieser letzteren.“ In der Praxis wird diese hohe Genauigkeit oft nicht angestrebt, für bestimmte Personen ist sie aber von besonderer Wichtigkeit, darunter Kaufleute, Industrielle und überhaupt Personen, „deren vorsorgliche Tätigkeit eine hoch entwickelte ist.“
Die Geschäftswelt braucht vollständigere Ergebnisse, die sich auf das gesamte Verkehrsgebiet, nicht nur bestimmte Landesteile beziehen.
In einer arbeitsteiligen Welt mit Güterverkehr richtet sich das Interesse aber ebenso auf die Güterquantitäten jener Menschen, mit denen man im Tauschverkehr steht. Der Güterbesitz dieser Menschen ist einem zwar nicht direkt, wohl aber indirekt verfügbar. Nun gibt es ab einer gewissen Kulturstufe eine eigene Berufsklasse, die sich um dir Abwicklung des Güterverkehrs kümmert, auch in Hinblick auf die Evidenzhaltung der verfügbaren Güterquantitäten. Solche Mittelspersonen im Verkehrsleben halten den Warenbestand (sog. Stocks) der einzelnen Volksteile oder Völker in Evidenz.
Eine solche Erhebung der Güter setzt einen komplizierten Beamtenapparat mit oft geringem kaufmännischem Verständnis voraus. Er versagt auch bei all jenen Gütern, die der öffentlichen Kontrolle entzogen sind, und kann nur von Regierungen innerhalb ihrer Territorien bereitgestellt werden. Die Erhebungen können darüber hinaus nur von Zeit zu Zeit vorgenommen werden. Bei Gütern, deren Menge sich stark wandelt, verfehlen diese Erhebungen ihren praktischen Wert.
Die Geschäftswelt braucht vollständigere Ergebnisse, die sich auf das gesamte Verkehrsgebiet, nicht nur bestimmte Landesteile beziehen. Aufgrund ihres sehr hohen Interesses daran hat sich die Geschäftswelt daher teils eigene Organe für diesen Zweck angeschafft. Das sind z.B. Korrespondenten in Geschäftshäusern, die ihre Auftraggeber über den jeweiligen Stand der Stocks am Laufenden halten. Ebenso gehören dazu kaufmännische Berichte, die „einen sehr bestimmenden Einfluss auf die volkswirtschaftlichen Erscheinungen, zumal auf die Preisbildungen ausüben“ (mehr dazu später). Diese Berichte beschränken sich nicht nur auf die jetzt verfügbaren Güterquantitäten, sondern ebenso auf jene, die in künftigen Zeiträumen zu erwarten sind. Dabei stützen sie sich auf öffentlichen Erhebungen, Korrespondenten und erfahrene Geschäftsleute.
All diese Angaben sind meist „ausreichend, um die Geschäftswelt über die in engeren oder weiteren Verkehrsgebieten jeweilig verfügbaren Quantitäten bestimmter Güter aufzuklären“. Ebenso können sich die Geschäftsleute so ein Urteil über die voraussichtlichen Änderungen der Stocks bilden und auf tatsächliche Unbestimmtheiten aufmerksam gemacht werden.
Hier geht es zum nächsten Abschnitt des zweiten Kapitels.
Kurz-Zusammenfassung:
- Die Menge an Gütern, die der Mensch zur Befriedigung seiner Bedürfnisse benötigt, nennen wir seinen Bedarf. Die Sorge um den eigenen Bedarf ist für den Menschen grundlegend.
- Diese Sorge um die Deckung des Bedarfs erfordert vorausschauendes Handeln. Sie richtet sich auf bevorstehende Zeiträume.
- In Kulturländern sorgt man schon von langer Hand für die Bedürfnisse der Gesellschaft nach bestimmten Dienstleistungen vor. Das machen auch die langen Produktionsprozesse notwendig.
- Die erfolgreiche Vorsorge des Menschen setzt zwei Erkenntnisse voraus. Das erste (1) ist die Erkenntnis des Bedarfs an nötigen Gütermengen für einen bestimmten Zeitraum. Der Mensch erlangt diese Erkenntnis in der Regel mit jener Genauigkeit, die praktisch erforderlich ist, wie sich zeigt:
- Die Menschen empfinden unmittelbar nur Bedürfnisse nach Gütern erster Ordnung. Bei einigen dieser Güter wissen sie schon im Vorhinein mit Gewissheit, ob sie diese in einem bestimmten Zeitraum brauchen werden (z.B. Nahrung, Kleidung), bei anderen Gütern nicht (z.B. Medizin, Feuerlöscher). Das verhindert aber nicht die rechtzeitige Vorsorge, sie sich zeigt: Auch gesunde Menschen besitzen eine Hausapotheke, und Hausbesitzer Löschapparate und Waffen.
- Gleiches gilt für die Quantität der benötigten Güter: Zuweilen wissen wir zwar, dass wir Güter brauchen werden, aber nicht wie viele. Auch hier „halten die Menschen, und zwar mit Recht, ihren Bedarf erst dann für vollständig gedeckt, wenn sie über die für alle voraussichtlichen Fälle ausreichenden Güterquantitäten zu verfügen vermögen“.
- Darüber hinaus sind die Bedürfnisse (des Einzelnen wie von ganzen Völkern) entwicklungsfähig, und zwar in Hinblick auf die Zukunft bis ins Unendliche. Die Entwicklungsfähigkeit der Bedürfnisse ist aber überschaubar für einen bestimmten Zeitraum und wird daher auch berücksichtigt: Wer z.B. seine Familie erweitern wird, achtet darauf bei einem Wohnungskauf.
- Der Bedarf an Gütern höherer Ordnung ist „durch unseren Bedarf an Gütern erster Ordnung bedingt“. Ohne Bedürfnis nach Gütern erster Ordnung kann „ein Bedarf an Gütern höherer Ordnung nicht entstehen“.
- Der Bedarf an Gütern höherer Ordnung entsteht, sobald unser Bedarf nach Gütern erster Ordnung für einen bestimmten Zeitraum nicht oder nicht vollständig durch die Güter erster Ordnung selbst gedeckt ist.
- Ein Gut höherer Ordnung kann aber nicht ohne die entsprechenden Komplementärgüter zur Herstellung eines Gutes erster Ordnung verwendet werden. Es gilt: Die Gütermenge der Komplementärgüter bestimmt den effektiven Bedarf nach den anderen Gütern höherer Ordnung.
- Durch Güter höherer Ordnung können wir unseren Bedarf nur mittelbar decken. Deshalb ist Vorausplanung nötig, und zwar wegen des Zeitaufwands des Produktionsprozesses, der mehrere Abschnitte durchläuft, von der Herstellung eines Gutes z.B. vierter Ordnung (Abschnitt IV), aus dem ein Guter dritter Ordnung wird (Abschnitt III) usw.
- Der Bedarf an Gütern höherer Ordnung regelt sich somit sowohl in Hinblick auf seine Quantität, wie auf die Zeiträume. Die Menschen können beides gestützt auf Erfahrungen bestimmen.
- Die Vorsorge setzt noch eine zweite Erkenntnis voraus (2), nämlich die Erkenntnis der tatsächlich verfügbaren Güterquantitäten, die den Menschen in dem Zeitabstand zur Verfügung stehen.
- Die Menschen gewinnen bereits auf niederen Kulturstufen diesen Einblick durch Inventarisieren und Messen der verfügbaren Güter.
- In einer arbeitsteiligen Welt mit Güterverkehr richtet sich das Interesse aber ebenso auf die Güterquantitäten jener Menschen, mit denen man im Tauschverkehr steht. Ab einer bestimmten Kulturstufe gibt es dafür eine eigene Berufsgruppe: Mittelspersonen im Verkehrsleben, die den Warenbestand (sog. Stocks) der einzelnen Volksteile oder Völker in Evidenz halten. Eine solche Erhebung der Güter setzt einen komplizierten Beamtenapparat voraus.
- Die Geschäftswelt braucht aber vollständigere Ergebnisse, die sich auf das gesamte Verkehrsgebiet, nicht nur bestimmte Landesteile beziehen. Deshalb schafft sie sich zu diesem Zweck eigene Organe an, wie Korrespondenten oder kaufmännische Berichte. Deren Angaben sind meist ausreichend.
Carl Mengers „Grundsätze“ wurden erstmals 1871 beim Braumüller Verlag veröffentlicht. Später erschienen sie als erster Band von Mengers „Gesammelten Werken“ beim Mohr Siebeck Verlag. Heute ist Mengers Erstlingswerk im Internet frei zugänglich, unter anderem beim Liberty Fund und beim Mises Institute.