3. Kapitel. Die Lehre vom Wert § 3 (e)

Carl Menger: Grundsätze der Volkswirtschaftslehre

Für den Wert und den Preis von Grundstücken und Arbeitsleistungen gelten dieselben Prinzipien wie bei allen anderen wirtschaftlichen Gütern

Grundstücke und Arbeitsleistungen haben keine Sonderstellung unter den Gütern. Bezüglich ihres Wertes gelten folglich dieselben Gesetze wie bei allen anderen Gütern. Doch einige Ökonomen nahmen an, bei Bodennutzungen, Kapitalnutzungen und Arbeitsleistungen (Bodenrente, Kapitalzins, Arbeitslohn) bestünden andere Prinzipien, die ihren Wert und ihre Preisbildung bestimmen. Der Grund: Diese Ökonomen vertraten eine falsche Werttheorie. Ihrer Ansicht nach muss der Preis eines ökonomischen Gutes auf die „Arbeitsquantitäten“ beziehungsweise Produktionskosten zurückgeführt werden. Man kann aber diese falsche Theorie offensichtlich nur mit den „größten Gewaltsamkeiten“ auf diese Bereiche anwenden, deshalb meinten jene Ökonomen, hier würden Sonderregeln gelten.

In den nächsten beiden Kapiteln wird sich zeigen: Der Preis der Güter ist eine Folge ihres Wertes für die wirtschaftenden Menschen, ebenso leitet sich die Höhe des Preises von der Höhe des jeweiligen Wertes ab. Damit wird auch klar: Bodenrente, Kapitalzins und Arbeitslohn regeln sich nach den gleichen Prinzipien.

Wenn sich eine wesentliche Gruppe von Erscheinungen nicht unter wissenschaftliche Gesetze einordnet, sind die Gesetze reformbedürftig

Grundstücke können zu Genusszwecken verwendet werden, zum Beispiel als Parks oder Rennbahnen. Dann sind sie Güter erster Ordnung und damit den Gesetzen der Wertbestimmung unterworfen. Ebenso können Grundstücke zur Hervorbringung anderer Güter dienen. Dann sind sie Güter höherer Ordnung. In diesem Fall gelten für sie neben den Gesetzen der Wertbestimmung auch noch jene für Güter höherer Ordnung.

Als Ökonomen aber erkannten, dass sich Wert und Preis von Grundstücken nur schwer auf Arbeit und Kapitalaufwendungen anwenden lassen, nahmen sie an, Grundstücke hätten eine exzeptionelle Stellung unter den Gütern. Das war ein methodischer Missgriff. Sie hätten vielmehr ihre Gesetze der Wert- und Preisbildung hinterfragen müssen:

„Dass eine große und wichtige Gruppe von Erscheinungen sich unter die allgemeinen Gesetze einer Wissenschaft, welche sich mit denselben befasst, nicht einordnen lässt, ist ein deutlicher Beweis für die Reformbedürftigkeit dieser letztern, nicht aber ein Grund […] zu der Absonderung einer Gruppe von Erscheinungen von den übrigen, ihrer allgemeinen Natur nach völlig gleichartigen Objekten der Beobachtung“.

Den Käufer interessieren nicht die Aufwendungen der Vergangenheit, sondern die Bedürfnisbefriedigungen der Zukunft

Der Wert eines Gutes ist die Bedeutung, die dieses Gut für die künftigen Bedürfnisbefriedigungen eines wirtschaftenden Subjekts hat. Bodennutzungen sind immer „zeitlich gemessene Nutzungen von Grundstücken“. Für den Käufer eines Grundstücks relevant sind folglich ausschließlich Bedürfnisbefriedigungen der künftigen Bodennutzungen: „der Käufer eines Grundstückes bringt bei seinem Kalkül wohl die ‚Zukunft’, nicht aber die ‚Vergangenheit’ des Grundstückes in Rechnung“.

Gemäß der falschen Lehre, wonach Arbeit und Kapitalaufwendungen über den Wert eines Gutes entscheiden, müsste es – genau umgekehrt – die Vergangenheit sein, die der Käufer in Rechnung stellt. Nur interessiert ihn diese nicht: „Ob der Boden, den ein Landwirt für ein Jahr, oder für eine Reihe von Jahren pachtet, seine Fruchtbarkeit aus Kapitalaufwendungen aller Art herleitet, oder von vornherein fruchtbar war, kümmert diesen wenig und hat keinen Einfluss auf den Preis, den er für die Bodenbenützung bezahlt“.

Ob ein Grundstück mit menschlichem Aufwand ohne Wald und fruchtbar ist oder von vornherein fruchtbar ist, ob „ein Grundstück mit dem größten Aufwande menschlicher Arbeit dem Meere abgerungen, oder ohne jede Arbeit angeschwemmt“ ist, ist für seinen Wert unerheblich, denn der ist eben nichts anderes als die Bedeutung der künftigen Bedürfnisbefriedigungen, die wir durch dieses Grundstück bzw. die Bodennutzungen erlangen.

Nur in einem anderen Sinne ist relevant, inwieweit ein Grundstück von Natur aus fruchtbar ist oder nicht, nämlich für die Frage, „ob die Verwendungen von ökonomischen Gütern auf dies Grundstück (die Ameliorirungen [Verbesserungen]) zweckmäßig und ökonomisch waren“ oder nicht.

Die Lage eines Grundstücks ist nicht maßgebendes Prinzip seines Wertes (wie David Ricardo meinte)

Man kann den Wert von Grundstücken auch nicht auf die Beschaffenheit der Lage zurückführen, wie es David Ricardo tut. Die Lage ist zwar „eine der wichtigsten Ursachen der Verschiedenheit des Wertes der Bodenbenützungen und der Grundstücke selbst“, aber nicht die einzige. Daher ist sie nicht einmal das maßgebende Prinzip des Wertes der Bodenbenützungen und Grundstücke. „Wären alle Grundstücke von gleicher Beschaffenheit und gleich günstiger Lage, so würden sie nach Ricardo gar keine Rente abwerfen können“.

Andererseits würden in einem Land, „wo großer Mangel an Boden besteht, auch die ungünstigst gelegenen und qualifizierten Grundstücke eine Rente abwerfen, ohne dass dieselbe in der Theorie Ricardo’s ihre Erklärung finden könnte.“

Wert und Werthöhe regeln sich bei allen Grundstücken genauso wie bei allen anderen wirtschaftlichen Gütern

Somit gilt: „Die Grundstücke und Bodenbenützungen in ihrer konkreten Erscheinungsform sind Objekte unserer Wertschätzung gleich allen anderen Gütern; auch sie erlangen nur insofern Wert als wir in der Befriedigung unserer Bedürfnisse von der Verfügung über dieselben abhängig sind.“ Die maßgebenden Faktoren ihres Wertes und ihrer unterschiedlichen Werthöhe sind dieselben allgemeinen Gesichtspunkte, die für alle Güter herausgearbeitet wurden.

Falls Grundstücke daher Güter höherer Ordnung sind, so gelten für sie dieselben Gesetze wie für zum Beispiel Maschinen, Werkzeuge, Fabriken: „Wo immer Bodenbenützungen zur Hervorbringung von Gütern niederer Ordnung herangezogen werden, finden demnach auch sie im Vereine mit den übrigen komplementären Gütern das Maß des Wertes in dem voraussichtlichen Werte des Gutes niederer, beziehungsweise erster Ordnung.“ Der Wert eines Grundstücks wird in diesem Fall umso größer sein, je größer der Wert des Gutes erster Ordnung ist, zu dessen Hervorbringung es dient, und je geringer der Wert der übrigen komplementären Güter, die ebenfalls zu seiner Erzeugung herangezogen werden.

Konkreter und zusammenfassend: „Der Wert der Grundstücke richtet sich nach dem voraussichtlichen Werte der Bodennutzungen, nicht umgekehrt dieser letztere nach dem ersteren. Der Wert der Grundstücke ist nichts anderes, als der voraussichtliche Wert der Gesamtheit der Bodennutzungen zurückbezogen auf die Gegenwart. Je höher der voraussichtliche Wert der Bodennutzungen und je geringer der Wert der Kapitalnutzungen, umso höher somit der Wert der Grundstücke. Wir werden in der Folge sehen, dass der Wert der Güter die Grundlage der Preise derselben ist.“

Eigentümlichkeiten der Grundstücke ändern nichts an den Gesetzen, denen sie unterliegen

Es soll damit nicht negiert werden, dass Grundstücke so wie alle anderen Güterarten auch ihre Eigentümlichkeiten haben wie auch dass sie in der Regel nur in bestimmten, nicht leicht vermehrbaren Quantitäten verfügbar, unbeweglich und von höchst unterschiedlicher Qualität sind. Das ändert aber nichts daran, dass sie denselben Gesetzen unterliegen.

Subsistenzmittel sind nicht das Prinzip, nach dem sich die Arbeitsleistungen regeln

Auch Arbeitsleistungen regeln sich nach denselben Prinzipien wie andere wirtschaftliche Güter. Doch einige Ökonomen stellten besondere Grundsätze für Arbeitsleistungen auf. Sie nahmen an, die Subsistenzmittel des Arbeiters beziehungsweise die Subsistenzminima seien das Prinzip, nach welchem sich der Preis der gemeinsten Arbeit regelt.

„Die gemeinste Arbeit, wird gesagt, müsse den Arbeiter samt Familie ernähren, sonst könnte sie der Gesellschaft nicht dauernd geleistet werden; die Arbeit könne aber dem Arbeiter auch nicht viel mehr bieten als die Subsistenzmittel, sonst würde eine Vermehrung der Arbeiter eintreten, welche den Preis ihrer Arbeitsleistungen wieder auf das obige Niveau herabdrücken würde.“ Der höhere Preis der übrigen Arbeitsleistungen müsse hingegen auf Kapitalanlagen beziehungsweise auf Talentrenten zurückgeführt werden.

Nun gibt es aber Arbeitsleistungen, die keine Güter sind, weil sie für den wirtschaftenden Menschen nutzlos oder sogar schädlich sind. Andere sind zwar Güter, aber keine ökonomischen, etwa weil sie in besonders großer Quantität verfügbar sind. Dann weisen sie keinen Wert auf und haben deshalb auch keinen Preis. Somit haben auch Arbeitsleistungen nur dann Wert, wenn sie ökonomische Güter sind, und dann gelten für sie dieselben Prinzipien wie für alle anderen ökonomischen Güter. Sie haben aber nicht notwendigerweise Wert, weil sie nicht notwendigerweise Güter oder ökonomische Güter sind.

Somit regelt sich der Preis der Arbeitsleistungen – wie sich im übernächsten Kapitel zeigen wird – an ihrem Wert. Der Wert aber regelt sich wie gesagt „nach der Größe der Bedeutung jener Bedürfnisbefriedigungen, welche wir entbehren müssten, wofern wir über die betreffenden Arbeitsleistungen nicht zu verfügen vermöchten“. Ebenso ist es mit allen anderen wirtschaftlichen Gütern. Sofern Arbeitsleistungen Güter höherer Ordnung sind, gelten für sie ebenfalls dieselben Prinzipien wie für andere Güter höherer Ordnung. Niemals aber ist das Subsistenzmittel maßgebendes Prinzip des Preises der Arbeitsleistungen.

Auch Arbeitsleistungen haben Eigentümlichkeiten, die nichts an den Gesetzen ihres Wertes und Preises ändern

Arbeit kann mit unangenehmen Empfindungen verbunden sein. Das ist eine Eigentümlichkeit von ihr, die auch auf ihre Werterscheinungen einwirkt. Der Arbeiter geht ihr daher nach, um ökonomische Vorteile aus ihr zu ziehen. „Arbeiten dieser Art können deshalb für die Gesellschaft nicht leicht den nicht ökonomischen Charakter erlangen.“ Allerdings wird der Wert der Untätigkeit für den Arbeiter überschätzt. Die Beschäftigungen einer größeren Mehrzahl von Menschen gewähren ihnen Freude und sind für sie Bedürfnisbefriedigung. Auch ohne wirtschaftliche Not würden sie einigen Tätigkeiten nachgehen.

Zu den Arbeitsleistungen gehört auch die Unternehmertätigkeit. „Auch sie ist der Regel nach ein ökonomisches Gut und hat als solches Wert für die wirtschaftenden Menschen.“  Zwei Eigentümlichkeiten weisen die Arbeitsleistungen des Unternehmers auf: So „a) sind dieselben ihrer Natur nach keine Waren (nicht zum Austausche bestimmt) und kommt demnach keine Preisbildung bei denselben zur Erscheinung. b) Haben dieselben die Verfügung über Kapitalnutzungen zur notwendigen Voraussetzung, indem dieselben sonst nicht wirksam werden können.“ Aus diesem Grund ist einem Volke im Allgemeinen die Unternehmertätigkeit in relativ geringer Menge verfügbar. Schließlich kann sie ja nur wirksam werden, insofern „den bezüglichen wirtschaftenden Individuen Nutzungen großer Kapitalien verfügbar sind“.

Für Kapitalnutzungen gelten ebenfalls gleichen Prinzipien der Wert- und Preisbildung, wie zuvor bereits dargestellt wurde.

 

Carl Mengers „Grundsätze“ wurden erstmals 1871 beim Braumüller Verlag veröffentlicht. Später erschienen sie als erster Band von Mengers „Gesammelten Werken“ beim Mohr Siebeck Verlag. Heute ist Mengers Erstlingswerk im Internet frei zugänglich, unter anderem beim Liberty Fund und beim Mises Institute.

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