Manchmal sind „Ermunterungen” des Staates für die Wirtschaft „genauso zu fürchten wie staatliche Einsprüche.“ Ein Beispiel für solche „Ermunterungen“ sind Staatskredite – also Darlehen, die vom Staat entweder direkt gewährt oder von ihm garantiert werden. Auf die Rolle der Inflation in dieser Zusammenhang werden wir in einem späteren Kapitel eingehen. Die Inflation ändert aber grundsätzlich nichts an den Auswirkungen der in diesem Kapitel besprochenen staatlichen Maßnahmen.
Nach Ansicht der meisten Mitglieder des amerikanischen Kongresses brauchen die Farmer laufend neue Kredite. Deshalb stellen sie häufig Anträge auf solche Kredite, weil die bestehenden privaten Kredite für die Farmer angeblich nicht ausreichen. Anders als in der Öffentlichkeit dargestellt bewirken solche Maßnahmen aber vor allem eins: Sie verschleudern Kapital, beeinträchtigen die Produktion und verringern den Wohlstand für alle. Dass das die Kongressmitglieder nicht sehen – und teils das Gegenteil behaupten – liegt an einer „doppelten Kurzsichtigkeit“: „Zum einen wird die Angelegenheit nur vom Standpunkt des Bauern aus betrachtet, der Geld leiht. Zum anderen wird nur die erste Hälfte der Transaktion gesehen.“
Staatskredite werden nach anderen Kriterien vergeben als Privatkredite
Was ist überhaupt ein staatlicher Kredit? Er ist nicht zu verwechseln mit normalen Darlehen, die der Bauer von privaten Personen oder Einrichtungen für den Kauf von Traktoren und anderen Landmaschinen erhält. Solche Darlehen „werden dem Bauern eingeräumt, damit er wirtschaften kann, bis er in der Lage ist, seine Erzeugnisse zu ernten, zu vermarkten und Geld dafür einzunehmen.“
Das Ziel von Landwirtschaftsdarlehen hingegen, die direkt vom Staat gewährt oder von ihm garantiert werden, ist es, dem Bauern den Einstieg ins Geschäft überhaupt erst zu ermöglichen. (Auf die besonders schädliche Kreditart, durch die der Bauer seine Produkte vom Markt fernhalten soll, werden wir in einem anderen Kapitel eingehen.) Zunächst erscheinen solche Staatskredite als höchst nützlich und hilfreich: Einer armen Familie ermöglichen sie, in die Landwirtschaft einzusteigen, oder einem armen Bauern, durch den Kauf eines Traktors seine Produktivität zu steigern. Die Kreditnehmer leisten also einen Beitrag zum Bruttosozialprodukt und können dank ihrer Einkünfte das Darlehen zurückzahlen. Am Ende würden demnach alle von diesem Staatskredit profitieren, auch die Steuerzahler.
Also alles bestens? Die Wahrheit ist: All dies leisten tatsächlich Privatkredite, nicht die Staatskredite. Wer sich einen Traktor nicht leisten kann, dem geben ein Nachbar, die Sparkasse oder der Traktorhersteller den Rest in Form einer Hypothek, die er dann in Raten zurückzahlen kann. Genau das trifft aber bei einem Staatskredit nicht zu.
Letztlich ist das sogar trivial: Würde der Staatskredit nämlich nach denselben Kriterien vergeben wie ein Privatkredit, wäre er überflüssig. „Warum sollte er [der Staat] genau das tun, was schon private Betriebe machen?“ Dass der Staat notwendigerweise nach anderen Maßstäben vorgeht als private Kreditgeber ergibt sich also von selbst: „Der einzige Grund, warum er [der Staat] sich in das Kreditgeschäft einschaltet, liegt darin, den Personen Darlehen zu verschaffen, die von privaten Geldgebern keinen Kredit bekommen würden.“ Genau damit wird ja auch die Vergabe der Staatskredite an Farmer im Kongress überhaupt begründet: „Die Kredite, die von den privaten Hypothekenbanken, Versicherungsgesellschaften oder den Provinzbanken eingeräumt werden, sind nie ‚ausreichend’“, heißt es dort.
Der Staat leiht oder gibt der Wirtschaft nie etwas, das er ihr nicht zugleich wegnimmt.
Im Unterschied zum Staatskredit riskiert der private Kreditgeber sein eigenes Geld, und nicht das des Steuerzahlers. Entsprechend behutsam wägt er das Risiko ab. Privaten Kreditgebern unterlaufen logischerweise weniger Fehler als staatlichen: „Das private Geld wird nur dort investiert, wo fest mit einer Rückzahlung und Zinsen oder einem Gewinn gerechnet wird. Das zeigt, dass man von den Personen, denen das Geld geliehen wurde, die Produktion von Erzeugnissen erwartet, die am Markt auch tatsächlich abgenommen werden.“ Anders beim Staat: Das von ihm gewährte Geld dient oft allgemeinen Zielen, wie dem Beschaffen von Arbeitsplätzen und ist mit Risiken verbunden, die gerade niemand mit seinem eigenen Geld eingehen möchte. Das bedeutet nichts anderes, „als dass die staatlichen Geldgeber mit dem Geld anderer Leute (dem der Steuerzahler nämlich) Risiken eingehen, die den privaten Geldgebern für ihr eigenes Kapital zu hoch sind.“
Nun räumen einige Befürworter staatlicher Kredite durchaus ein, dass die Verluste bei Staatskrediten höher sind als bei Privatdarlehen. Doch – so erklären sie – die Verluste würden mehr als ausgeglichen, „und zwar durch die zusätzliche Produktion, hervorgerufen durch die Kreditnehmer, die ihre Darlehen zurückzahlen“ – selbst durch die meisten jener Kreditnehmer, die ihre Schulden nicht zurückzahlen.
Staatskredite werden auf Kosten der Empfänger von Privatdarlehen vergeben
Gerade an diesem Argument zeigt sich näher besehen die oben erwähnte „doppelte Kurzsichtigkeit“. Hier wird wieder einmal etwas ausgeklammert: Die „Empfänger von Staatsdarlehen werden ihre Bauernhöfe und Traktoren auf Kosten derjenigen bekommen, die sonst Privatdarlehen erhalten hätten.“ Die Befürworter der Staatskredite blicken nur auf das, was sichtbar ist: „Es werden nur die Personen gesehen, in deren Hände das Kapital gelangt, nicht diejenigen, die es andernfalls bekommen hätten.“
Um das zu verstehen, muss man sich zuerst einmal vergegenwärtigen, was beim Verleih eines Darlehens eigentlich geschieht: „Was wirklich verliehen wird, ist nicht Geld, das nur ein Tauschmittel ist, sondern Kapital.“ Das heißt: dieser Bauernhof, jener Traktor etc. wird verliehen. Doch deren Anzahl ist notwendigerweise beschränkt. „Der Bauernhof oder Traktor, der A geliehen worden ist, kann nicht B geliehen werden. Die eigentliche Frage ist also, ob A oder B den Bauernhof bekommen soll.“ Das „Sachkapital ist im Gegensatz zum Papiergeld, das in beliebiger Menge gedruckt werden kann, mengenmäßig in jedem Moment begrenzt. Was man B gibt, kann man nicht auch A geben.“
Ein Beispiel kann das veranschaulichen:
Gesetzt den Fall ein Bauer – A – ist sehr fleißig und hat einen tadellosen Ruf. Er möchte einen Bauernhof kaufen, doch hat er nur so viel Geld beisammen, dass er sich ein Viertel des Bauernhofs leisten kann. Privatleute leihen ihm die restlichen drei Viertel aufgrund seines Rufs – oder besser gesagt: aufgrund seines Kredits. Kredit ist entgegen landläufigen Vorstellungen nämlich nicht etwas, das die Bank einem Menschen verleiht. „Kredit ist ganz im Gegenteil etwas, das ein Mensch bereits hat.“ Kredit kann man etwa aufgrund seines guten Rufs oder der eigenen Vermögenswerte, die das Darlehen an Wert überragen, haben. Aufgrund dieses Kredits erhält jemand – in unserem Fall de Bauer A – also von einer Bank Geld. „Die Bank gibt ihm nicht etwas für nichts. Sie glaubt, dass das Geld wieder zurückgezahlt wird. Sie tauscht nur einen liquideren Vermögenswert in einen weniger liquiden um.“
Nun schaltet sich aber der Staat ein aus Sorge um den Bauern B, der bisher weder eine Hypothek noch ein Darlehen erhalten hat, da er keinen Kredit hat (wegen zu geringer Ersparnisse oder keinem guten Ruf als Bauer etc.). Die Befürworter des Staatskredits wollen ihn zu einem nützlichen Mitglied der Gesellschaft machen. Das Ergebnis ist: Nun erhält B den Bauernhof, der A vorenthalten wird. Im schlechtesten Fall muss A sogar das Geschäft aufgeben. Das Risiko des Darlehens an B – also an Personen ohne Kredit – ist viel höher. Deshalb „geht mehr Geld verloren, und die Ausfallsquote wird bei ihnen sehr viel höher sein.“
Wir halten fest: Die „Empfänger von Staatsdarlehen werden ihre Bauernhöfe und Traktoren auf Kosten derjenigen bekommen, die sonst Privatdarlehen erhalten hätten. … Unter dem Strich hat das Staatsdarlehen den durch die Gemeinschaft geschaffenen Wohlstand auf jeden Fall nicht erhöht, sondern verringert. Und das, weil das verfügbare Sachkapital (Bauernhöfe, Traktoren usw.) weniger leistungsfähigen Kreditnehmern gegeben wurde.“
Vetternwirtschaft statt harter Auslese am Markt
Was für die Landwirtschaft gilt, das trifft auch in allen anderen Branchen zu. Immer geschieht dasselbe: Der Staat erlaubt Beamten, „mit dem Geld der Steuerzahler Risiken einzugehen, auf die sich mit seinem eigenen Geld niemand einlassen würde.“ So begünstigt der Staat auch noch die Entstehung von Vetternwirtschaft, weil Darlehen vorzugsweise an Freunde verliehen werden. Skandale – auch wegen Bestechungsgeldern – sind die Folge und ihnen folgt der Ruf nach Sozialismus, denn der Bürger fragt sich zu Recht: „wenn der Staat schon die Risiken trägt, warum soll er dann nicht auch die Gewinne einbehalten? Wie sollte man in der Tat rechtfertigen, dass man die Steuerzahler auffordert, die Risiken zu tragen, während man den privaten Kapitalisten zugesteht, den Profit einzustreichen?“
Anders als der Staat müssen sich private Kreditgeber „einer harten Auslese am Markt stellen. Wenn sie grobe Fehler machen, verlieren sie ihr Geld und können nichts mehr verleihen. Nur wenn sie bisher erfolgreich waren, können sie auch weiterhin Kredite geben.“ Sie investieren nur dort, wo sie mit einer Rückzahlung oder einem Gewinn rechnen und nutzen „die bestehenden Ressourcen und Geldmittel sehr viel besser“ als der Staat. Dieser verleiht das Geld anderer Leute für allgemeine Ziele, und „je unergiebiger das Vorhaben ist, das heißt je größer das Missverhältnis zwischen erforderlichem Arbeitseinsatz und Erfolg, desto hochtrabender wird man die Investitionen wahrscheinlich anpreisen.“
„Nicht anders verhält es sich bei vom Staat garantierten Darlehen und Hypotheken“. So haben „staatliche garantierte Hypotheken für Wohnungen und Häuser zwangsläufig schlechtere Darlehen als sonst zur Folge, vor allem wenn nur eine geringe oder überhaupt keine Anzahlung verlangt wird. Sie zwingen den Steuerzahler, die schlechten Risiken zu subventionieren und für die Verluste aufzukommen. Sie ermuntern viele Menschen, eine Wohnung oder ein Haus zu ‚kaufen‘, das sie sich gar nicht wirklich leisten können.“
Fazit: Der „Staat kann der Wirtschaft keine finanzielle Hilfe geben, die er der Wirtschaft nicht vorher oder später entzieht. … Wenn der Staat der Wirtschaft Darlehen oder Subventionen gibt, macht er nichts anderes, als erfolgreiche Privatunternehmer zu besteuern, um erfolglose Privatunternehmer zu unterstützen.“
Die hier gebotene, exklusiv für die AUSTRIAN ESSENTIALS erstellte Kurzfassung von „Die 24 wichtigsten Regeln der Wirtschaft“ erscheint mit Erlaubnis des FinanzBuch Verlags, bei dem auch die deutsche Fassung der 1978 erschienenen aktualisierten Neuauflage des Klassikers erhältlich ist.