11. Alles ruft nach Exporten

Henry Hazlitt: Economics in One Lesson

Das pathologische Streben nach Exporten ist irrational, übertroffen nur noch von der krankhaften Furcht vor Importen. Beides ist völlig unlogisch, denn: „Auf lange Sicht müssen sich Im- und Exporte ausgleichen; beide Begriffe sind dabei sehr weit gefasst und umfassen auch die ‚unsichtbaren‘ Posten wie die Ausgaben der Touristen, Übersee-Frachtgebühren und alle anderen Positionen der ‚Zahlungsbilanz‘.“

„Die Exporte kommen für die Importe auf, und umgekehrt“ (Devisentausch)

Für den langfristigen Ausgleich von Importen und Exporten gibt es einen elementaren Grund, über den man sich in jedem guten Lehrbuch über Devisen informieren kann. Der Devisentausch ist „ein Verrechnungsgeschäft, bei dem in den Vereinigten Staaten die Schulden der Ausländer in Dollars gegen ihre Dollarguthaben aufgerechnet werden.“ Nicht anders ist es in anderen Staaten, mit denen die Vereinigten Staaten Geschäfte machen: „In England werden die Schulden der Ausländer in Pfund gegen ihre Pfundguthaben aufgerechnet.“

Die Folge: „Die Exporte kommen für die Importe auf, und umgekehrt. Je größer unsere Exporte sind, desto mehr müssen wir importieren, wenn wir jemals erwarten, unser Geld zu sehen. Je kleiner unsere Importe sind, desto weniger können wir auch exportieren. Ohne Importe können wir nichts exportieren, denn den Ausländern fehlt es an den Mitteln, mit denen sie Waren von uns kaufen können.“

Die Einfuhren finanzieren die Ausfuhren

Ein Beispiel kann das veranschaulichen: Ein amerikanischer Exporteur verkauft seine Produkte an einen britischen Importeur. Die „Transaktion ist erst dann abgeschlossen, wenn die amerikanischen Ausfuhren durch Einfuhren in gleichem Umfang bezahlt sind“. Dabei ist es völlig gleichgültig ob das Geschäft in US-Dollar oder in englischen Pfund abgewickelt wird.

Gesetzt den Fall, es wird in englischen Pfund abgewickelt, und nicht in US-Dollar. Dann erhält der amerikanische Exporteur als Bezahlung englische Pfund, die ihm jedoch nichts nützen: Damit kann er weder seine Arbeiter bezahlen, noch seine Familie ernähren. Sie können ihm nur dann etwas nützen, wenn er entweder mit ihnen englische Waren kauft, oder wenn er sie – etwa über eine Bank – an irgendeinen anderen amerikanischen Importeur verkauft, weil dieser mit den Pfund englische Produkte kaufen will. Egal wie sich der amerikanische Exporteur entscheidet: Wenn den US-Exporten keine Importe in gleicher Höhe gegenüberstehen, kann die Transaktion nicht abgewickelt werden. Man sieht: Die amerikanischen Ausfuhren werden durch Einfuhren in gleichem Umfang bezahlt.

Falls das Geschäft nun in amerikanischen Dollar abgewickelt wird, und nicht in englischen Pfund, ist die Situation nicht anders: „Der britische Importeur kann den amerikanischen Exporteur erst dann in Dollars bezahlen, wenn irgendein anderer britischer Exporteur in den USA ein Dollarguthaben als Folge eines früheren Verkaufs dorthin erworben hat.“

Zur Zeit des internationalen Goldstandards wurden größere Differenzen in den Export- und Importbilanzen gelegentlich durch das Überstellen von Gold ausgeglichen. Allerdings hätte man „genauso gut Baumwolle, Stahl, Whisky, Parfum oder irgendein anderes Erzeugnis nehmen können.“

Wie beim heimischen Handel

Hinter all dem steckt nichts Geheimnisvolles, auch wenn es oft so verpackt wird. Es bestehen „keine grundsätzlichen Unterschiede zum heimischen Handel (…). Auch wir müssen etwas verkaufen, wenngleich das bei den meisten eher Dienstleistungen als Güter sein dürften, um uns die Kaufkraft zu verschaffen, mit der wir etwas erwerben können. Auch der heimische Handel läuft im Wesentlichen so ab, dass Schecks und andere Forderungen über eine Clearingstelle miteinander verrechnet werden.“

Nicht zurückgezahlte Staatkredite sind ebenso schädlich, wie nicht zurückgezahlte Privatkredite

Manche Menschen befürworten im Außenhandel Grundsätze, die sie im Binnenhandel niemals akzeptieren würden. „Ein typisches Beispiel dafür ist die Ansicht, die Regierung sollte anderen Ländern beträchtliche Darlehen gewähren, um die eigenen Exporte zu fördern, gleichgültig, ob diese Darlehen jemals zurückgezahlt werden oder nicht.“ Diesem Denkfehler liegt eine falsche Überlegung zugrunde. Sie lautet: „Selbst wenn die Hälfte der Darlehen (oder alle) sich als Fehlschlag erweist und nicht zurückgezahlt wird, hat das Geberland doch gut daran getan, sie zu gewähren, weil sie seine Ausfuhren kräftig steigen lassen werden.“

Dass man durch nicht zurückgezahlte Darlehen freilich nur ärmer werden kann, bezweifelt niemand, solange es nur um den privaten Bereich geht. Eine Automobilfirma verkauft zum Beispiel einen Wagen für 10.000 US-Dollar. Die Produktionskosten betrugen 8.000 Dollar. Würde die Firma nun jemandem 10.000 Dollar leihen, damit dieser mit diesem Geld das Auto kauft, so ist sofort klar: Wenn die Firma ihr Geld nicht zurückerhält, hätte sie das Auto dem „Käufer“ genauso gut schenken können. Erhält sie immerhin die Hälfte – also 5.000 Dollar – zurück, so würde sie noch immer einen Verlust von 3.000 Dollar machen. Für die Firma war das Geschäft demnach ein Verlust, denn sie hat „nicht das hereingeholt, was sie durch den geplatzten Kredit verloren hat.“

Der eigentliche Gewinn des Außenhandels liegt für jedes Land nicht in seinen Ausfuhren, sondern in seinen Einfuhren.

Manchen Menschen übertragen jedoch diesen letztlich trivialen Gedanken nicht auf ein gesamtes Land. „Der Grund ist der, dass der Vorgang dann im Geist über mehrere Stufen verfolgt werden muss. Eine Gruppe erzielt vielleicht durchaus Gewinne – aber alle anderen tragen die Verluste.“ Personen, die ausschließlich oder überwiegend von Exportgeschäften leben, können durch notleidende Staatskredite an das Ausland zuweilen tatsächlich Gewinne machen. Hätten sie diese Kredite wie im Fall der Automobilfirma selbst verliehen, müssten sie selbst die Verluste direkt tragen. Bei Staatskrediten jedoch macht das Land insgesamt den Verlust, der dann aber so aufgeteilt wird, dass er schwerer zu verfolgen ist und von der restliche Bevölkerung indirekt getragen werden muss, letztlich über höhere Steuern.

Damit gilt auch für Staatskredite, was für Privatkredite gilt: „Wenn wir dem Ausland Kredite geben, damit es unsere Erzeugnisse kaufen kann, und wenn diese Kredite nicht zurückgezahlt werden, verschenken wir die Waren. Und kein Land wird dadurch reicher, dass es Waren verschenkt. Es kann nur ärmer werden.“

Notleidende Staatsdarlehen und Exportsubventionen schaden dem Handel und der Beschäftigung

Die Bevölkerung würde zunächst um den Betrag des nicht zurückgezahlten Darlehens ärmer, und zwar durch höhere Steuern, da solche notleidende Staatskredite ausgeglichen werden müssen. Doch dabei bleibt es nicht, denn „durch die Auswirkungen dieser direkten Verluste auf die Volkswirtschaft würden sich auch zahlreiche indirekte Verluste einstellen.“ Die volkswirtschaftlichen Folgen sind weitreichend: „Für jeden zusätzlichen Dollar, welche die ausländischen Käufer hätten und zum Kauf amerikanischer Erzeugnisse ausgeben könnten, hätten die deutschen Käufer letztlich eine Dollar weniger. Geschäfte, die vom Binnenhandel abhängen, würden daher langfristig in dem Umfang beeinträchtigt, in welchem dem Export geholfen würde.“

Somit gilt: „Langfristig gesehen schaden Kredite an das Ausland, die nicht zurückgezahlt werden, dem Handel und der Beschäftigung des geldgebenden Landes.“ Selbst exportorientierte Unternehmen wären von dem Schaden nicht ausgenommen:

„Die amerikanischen Automobilhersteller haben beispielsweise 1975 etwa 15 Prozent ihrer Produktion auf dem Auslandsmarkt abgesetzt. Es hätte ihnen keinen Vorteil gebracht, 20 Prozent ihrer Produktion als Ergebnis notleidender Darlehen an das Ausland zu exportieren, wenn sie dadurch vielleicht zehn Prozent ihrer Inlandsverkäufe eingebüßt hätten, weil den amerikanischen Käufern zusätzliche Steuern auferlegt wurden, um die nicht zurückgezahlten Auslandskredite auszugleichen.“ Einzelne Exporteure würden nur dann von dem Verlust des Landes profitieren, wenn „ihr Gewinn aus den Exporten größer ist als der Anteil an Steuern, die sie für das Programm zahlen.“

Ebenso schädlich sind Exportsubventionen: Auch bei ihnen „erhält der Ausländer ganz eindeutig etwas ohne Gegenleistung, denn wir verkaufen ihm Waren, für die wir weniger verlangen, als sie uns in der Herstellung kosten.“ Dahinter steht derselbe Irrglaube, demzufolge ein Land reich werden könne, wenn es etwas verschenkt. Was Befürwortern solcher Maßnahmen entgeht, ist, „dass das, was direkt verschenkt wird, nicht die Exporte selbst sind, sondern das Geld, mit dem sie gekauft werden.“

Privatdarlehen aus humanitären Gründen sind natürlich zulässig

Natürlich müssen deshalb Kredite von Investoren ins Ausland nicht unklug sein. Klarerweise ist auch nichts daran auszusetzen, wenn einzelne anderen Menschen aus humanitären Gründen Kredite großzügig zukommen lassen, etwa, um in großer Not zu helfen. Aber wir sollten immer genau wissen, was wir tun. Es wäre aber unklug zu glauben, man tue dies für den eigenen Vorteil.

Der naive Glauben, nicht zurückgezahlte Kredite ins Ausland seien eine notwendige Methode zur Steigerung der Exporte und zur Erhaltung von Wohlstand und Arbeitsplätzen ist falsch.

Der eigentliche Gewinn geschieht durch Importe

John Stuart Mill (1806 – 1873) widersprach dem jahrhundertelangen export-orientierten Denken der meisten Staatsbeamten. Er zeigte auf: Der „eigentliche Gewinn des Außenhandel für jedes Land [liegt] nicht in seinen Ausfuhren, sondern in seinen Einfuhren“. Entweder können durch diese die Verbraucher Güter kostengünstiger erwerben als bei heimischen Produzenten, oder sie erwerben dadurch Güter, die sie andernfalls überhaupt nicht hätten. „Klassische Beispiele für die USA sind Kaffee und Tee.“

Darin liegt auch der Sinn von Exporten: „Global betrachtet, liegt der eigentliche Grund, warum ein Land Exporte braucht, darin, dass es seine Importe bezahlen kann.“

Die hier gebotene, exklusiv für die AUSTRIAN ESSENTIALS erstellte Kurzfassung von „Die 24 wichtigsten Regeln der Wirtschaft“ erscheint mit Erlaubnis des FinanzBuch Verlags, bei dem auch die deutsche Fassung der 1978 erschienenen aktualisierten Neuauflage des Klassikers erhältlich ist.

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