Seit dem Erscheinen von Adam Smiths „Wohlstand der Nationen“ im Jahr 1776 wurde der Freihandel in unzähligen Reden und Erklärungen beschworen. Von ungebrochener Aktualität ist, was Smith dort schreibt: „In jedem Land wird und muss es immer das Bestreben der großen Mehrheit der Bevölkerung sein, das, was sie erwerben möchte, von denen zu kaufen, die es am billigsten verkaufen.“ Und: „Die Aussage ist so selbstverständlich, dass es lächerlich erscheint, sich der Mühe zu unterziehen und sie beweisen zu wollen. Und sie hätte auch nie infrage gestellt werden können, hätten nicht die interessengebundenen Argumente der Kaufleute und Fabrikbesitzer den gesunden Sinn der Menschen verwirrt.“
Auch daran hat sich seither nichts geändert. Die „handels- und zollpolitischen Maßnahmen von heute sind nicht nur ebenso abträglich wie die des 17. und 18. Jahrhunderts, sondern weit schädlicher. Die wirklichen Gründe für solche Zölle und andere Handelsbeschränkungen sind noch immer die gleichen, und auch die vorgeschobenen Gründe haben sich nicht geändert.“
Es stimmt, dass der Zoll alle Verbraucher belastet. Aber es stimmt nicht, dass er auch alle Produzenten begünstigt.
Sämtliche Schutzzölle, die den Freihandel blockieren, ignorieren einen elementaren Grundsatz, den jedes Familienoberhaupt befolgt, nämlich nichts zu Hause herzustellen, das was man woanders billiger kaufen kann. Der Schneider ist froh, seine Schuhe beim Schuster zu kaufen, und umgekehrt. Für jeden ist es vorteilhaft, sein Können dort einzusetzen, wo er am besten ist, und mit einem Teil seiner Erzeugnisse Anderes zu erwerben.
Man sieht wieder nur die unmittelbaren Folgen für bestimmte Gruppen
„Was vernünftig ist, wenn es um die Führung einer Familie geht, kann kaum unsinnig sein, wenn es um die eines großen Landes geht.“ Und doch denken viele Menschen, es sei so, verwirrt durch ein „Gespinst aus Trugschlüssen“. Ausschlaggebend ist auch hier der Irrtum, „nur die unmittelbaren Folgen eines Zolls für bestimmte Gruppen zu berücksichtigen und die langfristigen Auswirkungen auf die gesamte Gemeinschaft nicht zu beachten.“
Zum Beispiel warnt ein amerikanischer Hersteller von Wollpullovern den US-Kongress vor einer Abschaffung des Zolls von 5 Dollar auf Wollpullover aus England. Er selbst würde nämlich seine Pullover für 30 Dollar verkaufen, doch die englischen Hersteller böten Wollpullover der gleichen Qualität für nur 25 Dollar an. Ohne Beibehaltung des Zolls könne er nicht im Geschäft bleiben und müsste seine Angestellten entlassen. Es drohten Arbeitslosigkeit und sinkende Kaufkraft.
Lobbyisten bringen oft falsche Argumente, doch wir wollen annehmen, dass alle diese Angaben stimmen. Darüber hinaus haben wir den ungünstigsten Fall für die Folgen eines Zollabbaus gewählt: Wir befassen uns mit den Argumenten für die Beibehaltung eines Zolls, „der bereits eine Industrie hat entstehen lassen und nicht zurückgenommen werden kann, ohne dass jemand geschädigt wird“.
Der Trugschluss des Arguments ist derselbe von immer: Man sieht nur den geschädigten Hersteller und seine Angestellten. Aber es gibt noch andere Folgen, die nicht weniger real sind: „Der Verbraucher kann jetzt einen Pullover gleicher Qualität für weniger Geld bekommen“. Die Folge: Er hat 5 Dollar mehr in der Tasche, mit denen er andere Produkte kauft und so die Beschäftigung in anderen Branchen in den Vereinigten Staaten fördert.
Die Beschäftigungssituation verschlechtert sich durch Aufhebung des Zolls nicht
Darüber hinaus fördert der Verbraucher die Beschäftigung in der englischen Pulloverindustrie und verhilft „den Engländern zu Dollars, mit denen sie in den USA amerikanische Waren kaufen können. Das ist tatsächlich die einzige Möglichkeit, wie die Engländer ihre Dollars verwenden können … . Sie sind letztlich sogar gezwungen, mehr von den Amerikanern zu kaufen, wenn sie ihre Dollarguthaben nicht ungenutzt lassen wollen. Als Folge davon, dass die Amerikaner mehr englische Erzeugnisse ins Land gelassen haben, müssen sie jetzt mehr amerikanische Waren exportieren.“
Fazit: „Die amerikanische Beschäftigungssituation hat sich nicht verschlechtert, aber die amerikanische und englische Produktion sind gestiegen.“ Und: Die Verbraucher in beiden Ländern stehen besser da.
Die positiven Folgen der Beseitigung des Zolls sind schwerer messbar
Die Beibehaltung der Zölle hingegen zwingt die amerikanischen Verbraucher, die Pulloverindustrie zu subventionieren. Für jeden amerikanischen Pullover müssen sie de facto eine Steuer von fünf US-Dollar zahlen. Als Folge davon arbeiten dann mehr Amerikaner in der Pulloverindustrie, nur die Wirtschaft und die Beschäftigung des Landes steigt insgesamt nicht: „Damit in der Pulloverindustrie vielleicht 50.000 Menschen Beschäftigung finden, wären in anderen Branchen 50.000 Menschen weniger beschäftigt.“
Das Problem: Der Schrumpfungsprozess in der Pulloverindustrie im Falle der Aufhebung des Zolls lässt sich beziffern, denn die 50.000 beseitigten Jobs sind für alle sichtbar. Was hingegen niemand sieht und auch statistisch nicht exakt messbar ist, das sind die Verluste in all den anderen Branchen durch Beibehaltung des Zolls. „Selbst der beste Statistiker könnte nicht genau angeben, wie sich die Verluste von Arbeitsplätzen verteilen“. Ebenso wenig kann ermittelt werden, wie die Verbraucher ihre zusätzlichen 5 US-Dollar ohne Zoll ausgeben. Die positiven Folgen der Beseitigung des Zolls sind weniger sichtbar.
Zölle senken das Lohnniveau
Durch Zölle steigen nicht die Löhne. Zwar ermöglichen sie im konkreten Fall, dass 50.000 Menschen für die Pulloverindustrie arbeiten, nur die Zahl der Arbeitsplätze steigt insgesamt nicht. Deshalb gibt es auch „keinen Nettoanstieg der Nachfrage nach Gütern und keine Steigerung der Arbeitsproduktivität. Die Arbeitsproduktivität würde als Folge des Zolls sogar sinken.“
Der Zoll verursacht in Wahrheit sogar einen Nettoverlust für das Land und verringert das Lohnniveau. Denn: Als „Folge der künstlich errichteten Schranken zum Schutz gegen ausländische Waren werden Arbeit, Kapital und Land der Amerikaner von einem rentablen zu einem weniger rentablen Einsatz umgelenkt. Aus diesem Grund sinkt die Durchschnittsproduktivität der amerikanischen Arbeit und des amerikanischen Kapitals als Folge der Zollmauer.“
Der Verbraucher wiederum kann weniger kaufen. Deshalb sinkt die Kaufkraft seines Einkommens. „Ob der Zoll sich letztlich in niedrigeren Löhnen oder höheren Preisen auswirkt, hängt von der Geldpolitik ab, die betrieben wird. Klar ist jedoch, dass der Zoll … die Reallöhne im Gesamtdurchschnitt verringert, verglichen mit dem Niveau, das sie sonst gehabt hätten.“
Zollbarrieren gleichen Schutzmauern gegen feindliche Armeen
Verteidiger von Zöllen bedienen sich gerne der Sprache des Kriegs. Ihnen zufolge geht es darum, „eine Invasion ausländischer Erzeugnisse“ zurückzuschlagen. Der Vergleich ist nicht ganz unpassend: Ebenso wie Panzerfallen und Stacheldrähte feindliche Heere zurückhalten und zwingen, diese Hindernisse mit immer aufwändigeren Mitteln zu überwinden, müssen immer aufwändigere Transportmittel die Zollhürden überwinden.
Das hat eine weitere schädliche Konsequenz: Sämtliche Investitionen in das Verkehrssystem zur Senkung der Transportkosten werden durch Zölle entwertet, da diese wider den Transport erschweren: „Wir verbilligen das Verschiffen der Pullover um einen Dollar und erhöhen anschließend den Zoll um zwei Dollar, um zu verhindern, dass die Pullover verschifft werden.“
Ein Zoll verändert die Struktur der Produktion eines Landes
Der Zoll belastet alle Verbraucher. Gleichzeitig begünstigt er aber nicht die Produzenten, wie oft behauptet wird, sondern hilft nur bestimmten Branchen zulasten anderer. Am meisten werden jedoch jene Branchen geschädigt, „die einen vergleichsweise großen potenziellen Exportmarkt haben“.
Ein extremes Beispiel veranschaulicht das: Gesetzt den Fall, eine Zollmauer wäre so hoch, dass überhaupt keine Importe mehr ins Land kommen. Als Folge erwirtschaften die ausländischen Handelspartner, denen der amerikanische Markt verschlossen ist, keine Dollars mehr. Sie „sind daher nicht mehr in der Lage, noch irgendwelche amerikanischen Erzeugnisse zu kaufen. Als Folge davon erleidet die amerikanische Wirtschaft Verluste, die in direktem Verhältnis zum Anteil ihrer bisherigen Verkäufe ins Ausland stehen. Vor allem betroffen werden Hersteller von Rohbaumwolle, Kupfer, Nähmaschinen, landwirtschaftlichen Maschinen, Schreibmaschinen, Verkehrsflugzeugen und ähnlichen Gütern sein.“ Eine weniger hohe Zollmauer wird ähnliche Ergebnisse erzielen, freilich in nicht so hohem Umfang.
Man sieht: Ein Zoll verändert die Struktur der Produktion eines Landes. Er „vergrößert die Wirtschaftszweige, in denen ein Land relativ unproduktiv arbeitet, und lässt diejenigen schrumpfen, in denen das Land vergleichsweise leistungsfähig ist. Er schmälert also die Leistungsfähigkeit eines Landes, aber auch die der Länder, mit denen es andernfalls verstärkt Handel getrieben hätte.“
Der Zoll begünstigt bestimmte Leute auf Kosten aller anderen. Unstrittig ist: Bestimmte Gruppen profitieren von einem Zoll. Von der Aufhebung eines Zoll hat das Land insgesamt einen Vorteil, aber es gebe schon auch Gruppen, für die das ein Nachteil wäre. „Und das ist auch einer der Gründe, warum es nicht gut ist, überhaupt solche geschützten Interessenentstehen zu lassen.“
Nachtrag und Fazit
Die Vorbehalte richten sich nicht gegen alle Zölle. „Es gibt Abgaben, die hauptsächlich aus fiskalischen Gründen erhoben werden, oder um kriegswichtige Industriezweige am Leben zu erhalten.“ Die Kritik wendet sich „ausschließlich gegen den Trugschluss, dass ein Zoll ‚Beschäftigung schafft‘, ‚die Löhne anhebt‘ oder ‚etwas für den Lebensstandard des Landes‘ tut. Ein Zoll bewirkt nichts von alldem, und was die Löhne und den Lebensstandard angeht, erreicht er genau das Gegenteil.“
Importquoten, Devisenbewirtschaftung, Bilateralismus und andere Maßnahmen, die den internationalen Handel einschränken oder umlenken, haben die gleichen oder noch schlimmere Auswirkungen.
Die hier gebotene, exklusiv für die AUSTRIAN ESSENTIALS erstellte Kurzfassung von „Die 24 wichtigsten Regeln der Wirtschaft“ erscheint mit Erlaubnis des FinanzBuch Verlags, bei dem auch die deutsche Fassung der 1978 erschienenen aktualisierten Neuauflage des Klassikers erhältlich ist.