Während des Tauschprozesses sind „die Preise die einzigen sinnlich wahrnehmbaren Erscheinungen“. Sie drängen sich unseren Sinnen auf, wir haben im Alltag mit ihnen permanent zu tun, und überdies lässt sich „ihre Höhe … genau messen“. Deshalb werden die Preise oft für „das Wesentliche am Tausche“ gehalten, doch das sind sie nicht. Im Gegenteil: Sie sind „nichts weniger als das Wesentliche der ökonomischen Erscheinung des Tausches“.
Eine richtige Theorie der Preise . . . muss darauf gerichtet sein zu zeigen, wie die wirtschaftenden Menschen bei ihrem auf die möglichst vollständige Befriedigung ihrer Bedürfnisse gerichteten Streben dazu geführt werden, Güter . . . gegeneinander hinzugeben.
Wesentlich am Tausch ist: Er dient zur besseren Befriedigung unserer Bedürfnisse
Die Kraft hinter dem Tausch, seine Ursache, ist „das Bestreben der Menschen, ihre Bedürfnisse möglichst vollständig zu befriedigen, ihre ökonomische Lage zu verbessern“. Dieses Bestreben ist „die letzte und allgemeine Ursache aller wirtschaftlichen Bewegung“, auch des Tausches. Das Wesentliche im Tausch liegt daher in der durch ihn „herbeigeführten besseren Vorsorge für die Befriedigung der Bedürfnisse der beiden Tauschenden“. Dabei sind die Preise „lediglich akzidentielle Erscheinungen, Symptome des ökonomischen Ausgleiches zwischen den menschlichen Wirtschaften.“
Veranschaulichen lässt sich die Bedeutung der Preise durch ein Bild: „Wenn man die Schleusen zwischen zwei ruhig stehenden Gewässern, deren Niveau ein verschiedenes ist, wegräumt, so werfen sie Wellen, so lange, bis der Spiegel sich schließlich wieder glättet. Diese Wellen sind aber nur ein Symptom der Einwirkung jener Kräfte, die wir die Schwere und die Trägheit nennen.“ Die Wellen entsprechen den Güterpreisen, sie sind „Symptome des ökonomischen Ausgleiches“. Die Kraft, die sie „an die Oberfläche der Erscheinung treibt“, ist das Streben der Menschen nach möglichst vollständiger Befriedigung ihrer Bedürfnisse.
Zwei gegeneinander getauschte Güter sind keine Äquivalente; es gibt keine Äquivalente im objektiven Sinn
Der häufige Irrtum, die Preise für das Wesentliche am Tausch zu halten, verleitete zu einer weiteren falschen Annahme, der zufolge „die im Austausch erscheinenden Güterquantitäten als Äquivalente zu betrachten“ sind (zum Beispiel 40 Messeinheiten Wein gegen 90 Messeinheiten Getreide). In weiterer Folge bemühten sich Forscher das Problem der Preisbildung zu lösen, indem sie „die angebliche Gleichheit zwischen zwei Güterquantitäten auf ihre Ursachen zurückzuführen“ versuchten. Manche erblickten eine solche Ursache in den „gleichen auf diese Güter verwandten Arbeitsquantitäten, die andern in gleichen Produktionskosten“.
Doch in Wahrheit gibt es keine „solche Gleichheit des Wertes zweier Güterquantitäten (eine Gleichheit im objektiven Sinne)“. Denn „Äquivalente im objektiven Sinne des Wortes“ wären Güterquantitäten, „die sich in einem gegebenen Momente in beliebiger Weise umsetzen ließen, so zwar, dass, falls die eine angeboten würde, die andere dafür zu erwerben wäre, und so umgekehrt.“ Dann ließe sich jeder Tausch (z.B. Kauf eines Hauses für 20.000 Taler) zwischen zwei äquivalenten Güterquantitäten bei gleich bleibender Konjunktur rückgängig machen. Doch die beiden Tauschenden sind dazu nicht bereit. Die „Erfahrung lehrt, dass in solch einem Falle der Regel nach keiner von beiden einem solchen Arrangement seine Zustimmung geben würde“.
Das zeigt sich auch in anderen Fällen: Wer etwa Getreide auf einem Getreidemarkt kauft und vor Veränderung der Konjunktur wieder verkauft, oder auf einer Effektenbörse (Wertpapierbörse) Effekte (Wertpapiere) kauft und sofort wieder veräußert, der kauft und verkauft ein und dieselbe Güterquantität dennoch nicht zum selben Preis. Die „Differenz, welche zwischen den Preisen beim Anbote und jenen bei der Nachfrage besteht, [ist] keine bloße Zufälligkeit, sondern eine allgemeine Erscheinung der Volkswirtschaft“. Nicht einmal zu einem bestimmten Zeitpunkt existieren somit Äquivalente im objektiven Sinn.
Wert und Tausch werden durch das Streben nach Bedürfnisbefriedigung verursacht und sind daher grundsätzlich subjektiver Natur
Wer versucht, eine „nirgends bestehende ‚Wertgleichheit‘ zwischen zwei Güterquantitäten zu erklären“, verkennten den „subjektive(n) Charakter des Wertes und die Natur des Tausches völlig“. Ein Verständnis der Ursachen, die zum Gütertausch führen, lehrt uns somit, „dass solche Äquivalente durch die Natur des Verhältnisses selbst völlig ausgeschlossen sind und in Wirklichkeit gar nicht bestehen können.“
Eine richtige Theorie der Preise versucht daher „zu zeigen, wie die wirtschaftenden Menschen bei ihrem auf die möglichst vollständige Befriedigung ihrer Bedürfnisse gerichteten Streben dazu geführt werden, Güter, und zwar bestimmte Quantitäten derselben gegeneinander hinzugeben.“
Kurz-Zusammenfassung:
- Die Preise sind nur beiläufige Erscheinungen des Tauschprozesses. Dennoch werden sie fälschlicherweise oft für das Wesentliche des Tausches gehalten, weil sie „die einzigen sinnlich wahrnehmbaren Erscheinungen“ während des Tauschprozesses sind.
- Das Wesentliche am Tausch ist: Er dient der besseren Vorsorge für die Befriedigung unserer Bedürfnisse. Deshalb tauschen die Menschen. Die Kraft hinter dem Tausch ist das Streben nach möglichst vollständiger Befriedigung der Bedürfnisse.
- Die Preise sind „Symptome des ökonomischen Ausgleiches zwischen den menschlichen Wirtschaften.“
- Zwei gegeneinander getauschte Güter sind keine Äquivalente (zum Beispiel 40 Messeinheiten Wein gegen 90 Messeinheiten Getreide), wie einige Forscher annehmen. Es gibt keine Äquivalente im objektiven Sinn, daher auch keine Gleichheit zwischen zwei Güterquantitäten, die etwa durch die gleichen Arbeitsquantitäten oder Produktionskosten verursacht würde.
- Äquivalente könnten jederzeit hin- und her getauscht werden, jeder Tausch könnte sofort rückgängig gemacht werden. Das findet aber nicht statt. Nicht einmal zu einem bestimmten Zeitpunkt existieren Äquivalente im objektiven Sinn.
- Wert und Tausch entstehen durch das Streben der Menschen nach Bedürfnisbefriedigung. Daher sind sie grundsätzlich subjektiver Natur.
Carl Mengers „Grundsätze“ wurden erstmals 1871 beim Braumüller Verlag veröffentlicht. Später erschienen sie als erster Band von Mengers „Gesammelten Werken“ beim Mohr Siebeck Verlag. Heute ist Mengers Erstlingswerk im Internet frei zugänglich, unter anderem beim Liberty Fund und beim Mises Institute.