Thomas Mayer am 8. Mai in Wien: Die Geldpolitik hat die Gesellschaft verändert

Vermögende und ältere Menschen werden immer reicher, für die untere Mittelklasse und die Jugend wird der Vermögensaufbau hingegen immer schwieriger. Schuld daran ist nicht der permanent kritisierte Wirtschaftsliberalismus – gemeinhin „Neoliberalismus“ genannt –, sondern die gescheiterte Geldpolitik. Zu diesem Schluss kam Thomas Mayer, Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institute (Köln), am 8. Mai im Haus der Industrie in Wien, wo er auf Einladung des Austrian Institute einen Vortrag zum Thema „Sündenbock Neoliberalismus – Wie die Angst vor der Freiheit unseren Wohlstand gefährdet“ hielt.

Vor rund 150 Besuchern wies der ehemalige Chefvolkswirt der Deutsche Bank Gruppe auf den historisch beispiellosen Erfolg der liberalen Ordnung hin, die in Europa ab dem 18. Jahrhundert und in China ab 1980 breiten Bevölkerungsmassen einen einzigartigen Wohlstandszuwachs bescherte. Zum Verhängnis wurde der westlichen Welt ab den 1980er Jahren jedoch die Politik der Zentralbanken, die auf jede Rezession mit einer überproportionalen Zinssenkung reagierten. Diese Stabilisierungspolitik führte langfristig zu einem stufenweisen Zinsverfall, da nach jedem „Bust“ die Zinsen nicht mehr auf das Vorkrisenniveau gehoben wurden. In Europa mündete dies 2016 schließlich in einem Leitzins von null, aus dem die EZB bis heute nicht hinausfindet.

Die gesamt Veranstaltung wurde gefilmt. Hier geht’s zum Video!

Die Niedrig- bzw. Nullzinspolitik hat mehrere Folgen. Eine davon ist der rasante Preisanstieg für reale Vermögenswerte. Die Konsumentenpreise steigen nicht annähernd so schnell wie die Preise für Aktien und Immobilien. Gleichzeitig steigen die Löhne nur langsam an, die Ersparnisse werden dafür durch die anhaltende Nullzinspolitik aufgefressen. Es gibt auch Gewinner. Das sind jene, die im Jahr 2009 Aktien gekauft haben. Darüber hinaus verzerrt die Politik des billigen Geld die Wirtschaftsstruktur: Der Anteil der Finanzdienstleistungen an der Bruttowertschöpfung steigt, jener des verarbeitenden Gewerbes sinkt. Parallel dazu steigt auch die Verschuldung immer weiter an – und zwar sowohl in den Industrie- als auch in den Schwellenländern. Das alles wird durch die Niedrigzinspolitik ermöglicht. Das Problem: Angesichts der anhaltend hohen Schulden und einer immer weiter voranschreitenden „Zombifizierung“ der Wirtschaft stellt sich die Frage, wie man den Zins überhaupt wieder nach oben bringen will. Ohne schwere Verluste wird das kaum gelingen. Das Damoklesschwert der nächsten Krise schwebt bereits über den Köpfen der Entscheidungsträger.

Leidtragende sind vor allem die Jugend und die Mittelschicht. Ihr Zorn findet in den Wahlsiegen rechts- oder auch linkspopulistischer Parteien ihren Niederschlag. Mayer zog den Aufstieg der Lega Nord und der Five Star Movement in Italien als Beispiel für den „Aufstand der verlassenen Mündel“ heran – verlassen von den überzogenen Versprechungen des Wohlfahrtsstaats. Linke wie Rechte warnen vor Globalisierung und Liberalisierung. Andere blicken besorgt Richtung China. Wegen des erwachenden Drachen glauben einige, das chinesische Modell in Europa kopieren zu müssen. Dabei wird aber übersehen, dass China seinen Aufstieg vor allem der Liberalisierung verdankt und sich seit 2013 zunehmend von der liberalen Ordnung abwendet. Das allseits zu beobachtende fehlende Vertrauen in die liberale Ordnung ist ein fataler Fehler. Einzig eine Rückbesinnung auf die Grundprinzipien des Liberalismus kann Europa wieder zum Aufstieg verhelfen.

Dank der Moderation des „Presse“-Wirtschaftsredakteurs Nikolaus Jilch und der zahlreichen Fragen aus dem Publikum erwartete die Besucher im Anschluss an den Vortrag noch eine anregende und informative Diskussion.

Nachfolgend einige Eindrücke (Fotos: Martin Prikoszovich / Austrian Institute)

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