Österreichs Wohnungsmisere – mehr Markt, weniger Bürokratie wären nötig

Grundstücke, Häuser und Wohnungen werden immer teurer, das Angebot im städtischen Raum ist zu knapp. Gegen diesen Trend müsste die Politik etwas unternehmen, gerade in Zeiten wie diesen. Vermieter und Immobilieninvestoren sind nämlich mittlerweile oft Kleininvestoren, die sich mit einer oder wenigen vermieteten Wohnungen ein zusätzliches Standbein zur Pensionsvorsorge aufbauen wollen – und müssen, da das staatliche Pensionssystem nicht nachhaltig abgesichert ist. Auch aufgrund der finanziellen Repression – also der schleichenden Entwertung von niedrigst verzinsten Spareinlagen – weichen immer mehr Menschen auf die Assetklasse Immobilien aus. Die Veranlagungskategorie Aktien ist im Gegensatz zu anderen europäischen entwickelten Ländern in Deutschland und Österreich kaum populär. Bis heute lässt man das Geld lieber praktisch unverzinst auf Sparkonten und Sparbüchern liegen, oder man spart in einem schlecht verzinsten Bausparvertrag.

Wegen der ungenügend abgesicherten Pensionsvorsorge und Unsicherheiten bei traditionellen Sparformen gewinnen Immobilieninvestments an Bedeutung. Sie könnten ein Treiber für die Schaffung von mehr dringend benötigtem Wohnraum in städtischen Gegenden sein. Doch gerade das Beispiel Österreich zeigt, wie hier ein unnötig kompliziertes Mietrecht bremst und einige Menschen sogar ihre Wohnung lieber leer stehen lassen (!) als die Risiken in der Vermietung einzugehen.

Österreich ist im europäischen Vergleich ein ausgeprägtes Mieterland. Mit einer Eigentumsquote von 44 Prozent ist es EU-weit Schlusslicht. Das liegt vor allem am städtischen Bereich, ganz besonders an Wien, wo der Mietanteil sogar rund 80 Prozent der Einwohner ausmacht.

Ein unüberschaubares und unverständliches Mietrecht

Das österreichische Mietrechtsgesetz ist ein historisch gewachsenes, extrem zersplittertes und Judikatur-getriebenes Wohnrecht, dem jede Transparenz und Verständlichkeit fehlt. Es geht auf die Zeit des Ersten Weltkriegs zurück, als man die Mieter in der von Flüchtlingen überfüllten zwei Millionen Metropole Wien schützen wollte. Damals wurde der sogenannte Friedenszins – eine eingefrorene Niedrigstmiete – eingeführt. Bis heute steht beim Mietrechtsgesetz der Mieterschutz im Vordergrund. Nur hat sich das Mietrechtsgesetz seither wesentlich weiterentwickelt und besteht mittlerweile aus einem schier unüberschaubaren Wildwuchs an Neubestimmungen.

So ist es heutzutage möglich, dass in einem sogenannten Gründerzeithaus unterschiedliche Mietansätze in verschiedenen Wohnungen zur Anwendung kommen. Mietzinslisten in einem einzigen Gebäude mit komplett unterschiedlichen Mietzinsen für verschiedene Wohnungen gehören zweifelsohne zu den skurrilsten Auswüchsen des Mietrechtsgesetztes. Mitunter kann es zu einer wahren Odyssee werden, herauszufinden, welches Mietrechtsregime bei einer einzelnen Wohnung zur Anwendung kommt.

Für gewisse Straßenzüge und Stadtviertel – Wienerisch „Grätzl“ – gibt es eigene „amtlich“ festgesetzte Mieten. Darüber hinaus erlaubt das Mietrechtsgesetz absurderweise höhere Mieten in einem unsanierten Neubau der 1950er oder 1960er Jahre als in einem bestens sanierten Altbau in Innenstadtnähe. So wird oft qualitativ hochstehender Wohnraum in Altbauten dem Mietmarkt entzogen.

Die Auswüchse des Mietrechts beschäftigen von Zeit zu Zeit auch die österreichischen Medien. Als „Kategorie unbrauchbar“ bezeichnete etwa die Tageszeitung „Der Standard“ das österreichische Mietrecht.

Investitionshemmnisse blockieren den privaten Wohnbereich

Vermieter und Investoren haben durch sich ständig ändernde Rahmenbedingungen kaum Planungssicherheit. Es ist einigermaßen absurd, den privaten Wohnbereich durch ein veraltetes und obsoletes Mietrechtsgesetz und durch dirigistische Eingriffe dermaßen zu verzerren und dadurch Verunsicherung und Investitionshemmnisse zu verursachen. Auf einem funktionierenden Markt würden Angebot und Nachfrage so zusammengeführt, dass für beide Marktteilnehmer – Wohnungssuchende und Wohnungsanbietenden – der größtmögliche Umsatz, sprich: Wohnungstransaktionen, entsteht. Durch die dirigistischen Eingriffe im Mietrechtsgesetz und die damit einhergehende Rechts- und Planungsunsicherheit verknappt sich künstlich das Angebot. Der private Vermieter lässt dann lieber die Wohnung leer stehen oder veräußert sie saniert oder unsaniert um einen teuren Quadratmeterpreis.

Ein zusätzliches Problem: Die Genehmigungsdurchlaufzeiten bei Immobilienprojekt-Einreichungen sind zu langsam. Grundstücksflächen sind im urbanen Raum der große Engpassfaktor. Es ist dringend nötig, Flächenumwidmungen von Grünland auf Bauland oder auch Umwidmungen zu beschleunigen. Darüber hinaus kann zusätzlicher Wohnraum durch Nachverdichtung geschaffen werden, wie den Ausbau von Dachgeschoßflächen oder An-, Auf- und Zubauten bei bestehenden Gebäuden. Auch müsste man die Genehmigungsverfahren beschleunigen. Hinzu kommen ausufernde Bauvorschriften und ein Kapazitätsengpass bei ausführenden Baufirmen. Sie sind der Preistreiber Nummer zwei. Eine Vereinheitlichung der Bauordnungen pro Bundesland wäre sinnvoll.

Eine Komplettreform des Mietrechts ist nötig

Dringend nötig ist aber vor allem eine Komplettreform des Mietrechts zwecks höherer Bereitstellung von Wohnraum und Preisstabilisierung. Sie sollte auf einen Interessensausgleich zwischen Vermietern und Mietern abzielen, damit eine marktwirtschaftliche Mietzinsbildung im privaten Wohnbereich zum Tragen kommt.

Grundsätzlich sollte bei Neuvermietungen ein einziger angemessener marktorientierter Mietzins für alle Wohnobjekte zur Anwendung kommen. Die Erhaltungsarbeiten fielen bei einer Reform des Mietzinses in den Bereich des Vermieters da ja diese dann vom Marktzins abgedeckt werden sollten. Laufende Wartungsarbeiten bleiben wie international üblich im Verantwortungsbereich des Mieters.

Ein weiterer Bereich sind die Eintrittsrechte in bestehende Mietverträge für direkte Angehörige. Künftig sollte eine solche Eintrittsberechtigung nur mehr eingeschränkt direkten Angehörigen vorbehalten bleiben, und dann sollte auch ein marktüblicher Mietzinszins verlangt werden dürfen. Die Jungfamilie „von nebenan“ muss die Marktmiete sowieso bezahlen, wenn sie nicht zufällig eintrittsberechtigt ist. Das ist ungerecht.

Das Wohnungseigentumsgesetz bedarf ebenso einer Anpassung an die neuen Entwicklungen. So müsste man etwa das Entscheidungsquorum von Wohnungseigentumsgemeinschaften reformieren. Entscheidungen mit 100-prozentiger Zustimmung sind mitunter bei größeren Gemeinschaften kaum durchsetzbar. Darüber hinaus müssen E-Mobility und Erneuerbarer-Energie-Projekte in Wohnungseigentumsgemeinschaften vereinfacht werden.

Kurz: Mehr Markt, weniger Bürokratie müsste das Ziel sein. Über mehr Marktmechanismen und Beschleunigung von Behörden- und Bauverfahren könnte man das Angebot im privaten Wohnbau erhöhen. Das würde zur Preisstabilisierung sowohl im Miet- als auch Kaufsegment beitragen.

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