Das Gespenst der Kollektivierung kehrt zurück, zum Schaden von Freiheit und Wohlstand

Man mag es kaum glauben: Knapp dreißig Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer und dem darauf folgenden Zerfall der Zentralverwaltungswirtschaften in den mittel- und osteuropäischen Ländern werden in Deutschland Forderungen nach einer sozialistischen Wirtschaftsordnung laut: In der Bundeshauptstadt Berlin tritt eine Bürgerinitiative für die Vergesellschaftung von Wohneigentum ein.[1] Auch der Co-Vorsitzende der Partei Bündnis 90/Grüne, Robert Habeck, hält Vergesellschaftung grundsätzlich für denkbar.[2] Und in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung „Zeit“ plädiert der Vorsitzende der Jusos, Kevin Kühnert, für die Kollektivierung großer Unternehmen wie beispielsweise BMW.[3]

In den letzten Wochen ist so eine Debatte losgetreten worden, die um den Artikel 15 des Grundgesetzes (GG) kreist, der die rechtliche Grundlage für Vergesellschaftung bildet. Dass Enteignungen im Einzelfall, die in Artikel 14 GG geregelt sind, bspw. bei Bauvorhaben an der Tagesordnung sind, ist eine bekannte Tatsache. Der Artikel 15 GG, welcher die Möglichkeit bildet, Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft zu überführen, ist dagegen im öffentlichen Bewusstsein weniger präsent.[4] Im Grunde bietet dieser Grundgesetzartikel die Möglichkeit der Einführung einer Wirtschaftsordnung, die auf Kollektiveigentum beruht.

In der Tat haben die Mitglieder des parlamentarischen Rates in den Beratungen über das Grundgesetz diese Möglichkeit in die Verfassung eingefügt, da sich das GG auf keine spezifische Wirtschaftsordnung festlegt.[5] In der Frühphase der Geschichte der Bundesrepublik war auch unter den Parteien die marktwirtschaftliche Ordnung keine ausgemachte Sache. So trat selbst die CDU in ihrem Ahlener-Programm noch für Vergesellschaftung ein. Die SPD machte ihren Frieden mit der Marktwirtschaft, vorläufig wie es scheint, erst 1956 mit dem Godesberger-Programm.

Es war der politischen Durchsetzungsfähigkeit und dem entschlossen Handeln Ludwig Erhardts zu verdanken, dass 1948 mit der Einführung der D-Mark und der Freigabe der Preise die Grundsatzentscheidung für ein marktwirtschaftliches System in der Bundesrepublik gelegt wurde, welches seinerseits die Grundlage für wirtschaftlichen Wohlstand in Deutschland legte. [6]

Untrennbar mit dem marktwirtschaftlichen System ist jedoch das Rechtsinstitut des Privateigentums verbunden. Erst wenn die Wirtschaftssubjekte in der Lage sind, die in ihrem Eigentum befindlichen Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital an Unternehmer ihrer Wahl zu veräußern, können sie ein Einkommen erzielen, um dafür Güter und Dienstleistungen zu erwerben. Ein funktionierendes Marktpreissystem sorgt dann für die effiziente Verteilung knapper Ressourcen. Dies ist der Fall, da der Preis, wenn er auf Märkten frei gebildet wird, einen Knappheitsindikator darstellt, der die Wirtschaftssubjekte zum effizienten Handeln führt. Daher forderte Walter Eucken, der Begründer der Freiburger Schule und einer der geistigen Väter der Sozialen Marktwirtschaft, die Umsetzung des Rechtsinstitutes des Privateigentums als konstituierendes Prinzip der marktwirtschaftlichen Ordnung.[7]

Ein auf vergesellschaftetem Eigentum, sprich einer sozialistischen Eigentumsordnung, beruhendes Wirtschaftssystem ist zu dieser Effizienzleistung nicht in der Lage, wie es der österreichische Nationalökonom Ludwig von Mises bereits 1922 in seiner Schrift „Die Gemeinwirtschaft. Untersuchung über den Sozialismus“ darlegte. Er weist strikt logisch nach, dass nach einer Vergesellschaftung des Privateigentums ein Wirtschaftssystem, welches durch zentrale Planentscheidungen gesteuert werde und damit die freie Preisbildung auf Märkten ausschalte, zu einer im ökonomische Sinne rationalen Verwendung ihrer Ressourcen nicht in der Lage sei, da kein Preismechanismus mehr existiert, welcher über den Wert und die Knappheit von Ressourcen informiert.[8] Ein sozialistisches Wirtschaftssystem ist daher weniger in der Lage die Konsumwünsche der mit dem vorhandenen Güterangebot in Übereinstimmung zu bringen, als es das marktwirtschaftliche System durch einen funktionierenden Preismechanismus ermöglicht.

Wie jedoch der Politologe Karl Graf Ballestrem darlegte, sind die Verfassungen der europäischen Länder wie auch der USA durch demokratische Partizipationsrechte und liberale Freiheitsrechte zur Verwirklichung einer freien Gesellschaftsordnung gekennzeichnet und aufeinander bezogen.[9] Dies ermöglicht die populistische Versuchung, das liberale Freiheitsrecht auf Privateigentum, welches für die marktwirtschaftliche Ordnung konstitutiv ist, durch die Mehrheitsregel im Sinne eines „Demokratischen Sozialismus“ auszuhebeln. Hierin liegt das eigentliche politische wie auch ökonomische Problem dieser Debatte um Kollektivierung. Ein wirksamer Schutz von Freiheit und Marktwirtschaft kann nur dann gelingen, wenn wieder einsichtig wird, dass auch Mehrheitsentscheidungen an den fundamentalen Grundrechten des Individuums ihre Grenze finden. Und ein solches Grundrecht ist das Freiheitsrecht auf Privateigentum, das, auch wenn es nicht absolut ist, einer grundsätzlichen Vergemeinschaftung ganzer Unternehmen und Branchen im Sinne eines „Systemwechsels“, wie er jetzt gefordert wird, entgegensteht.

Verweise

[1] Vgl.: Mietenvolksentscheid e.V. (Hrsg.): Deutsche Wohnen und Co enteignen. Spekulation stoppen, Berlin 2019, https://www.dwenteignen.de/warum-enteignen/ (Abruf: 04.05.2019)

[2] Vgl.: Deutschlandfunk (Hrsg.): Gesine Schwan und Robert Habeck: Warum als Philosoph in die Politik gehen?, Köln 2019, https://www.deutschlandfunkkultur.de/gesine-schwan-und-robert-habeck-warum-als-philosoph-in-die.2162.de.html?dram:article_id=446748 (Abruf 04.05.2019)

[3] Vgl.: Bittner, Jochen / Hildebrandt, Tina: Kevin Kühnert: Was heißt Sozialismus für Sie, Kevin Kühnert?, in: Zeit Online vom 01 Mai 2019, (Abruf: 04.05.2019)

[4] Vgl.: Deutscher Bundestag (Hrsg.): Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Berlin 2019, https://www.bundestag.de/gg , (Abruf 04.05.2019)

[5] Vgl.: Seifer, Karl-Heinz / Hömig, Dieter: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Taschenkommentar, 5. Auflagen, Baden-Banden 1995, S. 181

[6] Vgl.: Wünsche, Horst-Friedrich: Ludwig Erhards Soziale Marktwirtschaft. Wissenschaftliche Grundlagen und politische Fehldeutungen, Hamburg 2015, S. 394

[7] Vgl.: Eucken, Walter: Grundsätze der Wirtschaftspolitik, 6. durchgesehene Auflage, S. 254–291.

[8] Vgl.: Mises, Ludwig von: Die Gemeinwirtschaft. Untersuchungen über den Sozialismus, Jena 1922 (Unveränderter Nachdruck der zweiten umgearbeiteten Auflage, Jena 1932, mit einem Vowort von Theo Müller und Harald Freiherr v. Seefried, Stuttgart 2007).

[9] Vgl.: Ballestrem, Karl Graf von: Liberalismus und Demokratie, in Ballestrem, Karl Graf von / Ottmann, Henning (Hrsg.) Theorie und Praxis. Festschrift für Nikolaus Lobkowicz zum 65. Geburtstag, Berlin 1996, S. 108 – 119

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